Auf der Plattform Any Working Mom schreiben Any Working Moms unter dem #malehrlich über Vereinbarkeit. Sie zeigen, was ist. Und zeigen auf, was anders sein kann. Die Artikel sprechen uns aus dem Herzen. So wie dieser hier, geschrieben von Anja Knabenhans, die wir interviewen durften.
Es ist ein heikles Terrain. Wie nehmen Männer die Körper von Frauen beim Sex wahr?
Ich habe einige Männer angefragt, ob sie sich dazu äussern möchten. Viele haben abgelehnt. Über den Körper einer Frau zu reden, fällt schwer. Die Männer wollen nichts Falsches sagen, möchten nicht verletzen – sie wissen ja, wie stark uns Frauen unser Körper beschäftigt.
Aber fünf sagten zu. Sie möchten zeigen, wie verunsichert sie sind. Wie wenig sie wussten und immer noch wissen über die Selbstwahrnehmung ihrer Sex- oder Lebenspartnerinnen. Wie traurig sie darüber sind, dass so viele Frauen tagtäglich und tiefgreifend mit ihrem Körper hadern. Und was sie sehen, wenn sie uns anschauen.
Wieso fragen wir überhaupt Männer nach ihrer Sicht?
Da der männliche Blick die Norm ist, müsste man da nicht dagegenhalten? Oder gibt es vielleicht nicht den männlichen Blick, ist er gar nicht so genormt?
Diese fünf Männersichten sollen im besten Fall zum Denken und Diskutieren anregen. Sie kommen aus einer anderen Perspektive, wortwörtlich. Einer Perspektive, die wir als Frauen vielleicht noch gar nie eingenommen haben.
Alain
«Ich hatte viele verschiedene Sexpartnerinnen, wirklich viele. Mit ganz verschiedenen Körperformen, mit kleinen und riesigen Brüsten, mit glattrasierten und buschigen Vulvahügeln, mit glatter Haut und mit viel Cellulite, mit Akne oder mit vielen Muttermalen, mit Narben … ich sah die Vielfalt des menschlichen Körpers.
«Frauen scannen ihren Körper nach angeblichen Unschönheiten.»
Und es gab keine einzige Frau, die wirklich akzeptierte, wie sie aussieht. Ich bin ein sehr kommunikativer Typ, Frauen öffnen sich mir gegenüber, auch wenn wir vielleicht nur einmal zusammen vögeln. Also erfahre ich sehr rasch, womit sie hadern. Ich würde es so zusammenfassen: Frauen schauen sich nicht als Gesamtbild an, sie scannen ihren Körper ab nach angeblichen Unschönheiten. Man hat das Gefühl, dass sie nicht damit aufhören, bis sie was gefunden haben.
Als ob es gar nicht erlaubt wäre, sich okay zu finden.
Die eine findet ihre Knie unförmig, die andere ihre Muttermale hässlich, die dritte die Behaarung ihrer Arme zu dunkel, die vierte die Farbe ihrer Nippel komisch …
Ich meine: Häh?!
Die Einzige, mit der ich Sex hatte und die recht im Lot mit sich war: Eine Frau mit einem amputierten Bein. Sie sagte, es sei ein langer und schmerzhafter Prozess gewesen, sich nach der Amputation gern zu haben und den veränderten Körper anzunehmen. Aber sie habe dadurch auch gelernt, wirklich und in voller Ernsthaftigkeit zu sich zu sagen: ‘Es ist nur ein Körper. So what, wie genau er aussieht, solange er noch funktioniert.’
Mich beschäftigt sehr, wie Frauen sich selber betrachten und eine riesige Mängelliste sehen.
Jetzt habe ich eine Tochter und weiss nicht, wie ich ihr vermitteln soll, dass Körper einfach nur Körper sind. Dass es nicht wichtig ist, sich rundum und an jeder Stelle schön zu finden.
Und es stresst mich gewaltig, dass ich früher auch blöde Sprüche über Frauenkörper gemacht habe.»

Fernando
«Ja, wenn ich mir zack-zack eine Sexgespielin basteln könnte, wäre sie wohl schlank und hätte grosse Brüste. Aber weshalb würde ich sie mir so bauen? Weil ich damit aufgewachsen bin, dass dies angeblich die Idealform einer sexy Frau ist.
«Erektion ist nicht gleich wirkliche Erregung.»
Und weil ich denken würde, dass andere Männer mich bewundern, wenn ich es mit so einer treibe. Uff, nur schon diese Wortwahl, die mir da rausgerutscht ist… erbärmlich, oder? Wir sind auf dieses dumme Gschnurr so geprägt.
Mit der Frau an sich hätte es jedenfalls nichts zu tun. Wenn ich die Meinungen von aussen beiseitelegen kann und mich nur danach richte, was mich erregt, dann sieht es ganz anders aus.
Mich erregt jeder Frauenkörper, wenn ich die Frau mag.
Und wenn ich spüre: Dieser Körper möchte Sex, wirklich.
Was mich nicht erregt, sind Frauenkörper, die sich irgendwie auf dem Bett rumräkeln wie in einem Musikvideo. So, dass es angeblich «möglichst vorteilhaft» aussieht, in Wahrheit aber einfach auch uhuere unbequem und unrealistisch wirkt.
Okay, stimmt nicht ganz: Ich kriege einen Ständer bei diesem Rumgeräkle. Ich kann Sex haben. Aber so richtig erregt, auch geistig, bin ich nicht.
Könnten wir vielleicht mal drüber reden, dass Erektion nicht gleich wirkliche Erregung sein muss?»
Ingvar
«Ich liebe den Körper meiner Freundin. Aber nicht wegen ihrer Brüste, ihres Hinterns oder so. Ich liebe zum Beispiel die Narbe an ihrem Oberschenkel. Eine Erinnerung an eine gemeinsame Wanderung, wo sie gestürzt ist und das ganze Gebirge zusammengeschrien hat. Es war dann gar nichts Schlimmes, aber wir müssen beide immer lachen, wenn wir an diesen Ausflug zurückdenken.
«Was für ein Glück, ihren Körper altern zu sehen!»
Oder ich liebe ihre Oberarme, die schon etwas wabblig sind. Wir sagten immer, wir bleiben zusammen, bis wir alt und wabblig sind.
Und irgendwie finde ich es schön, dass wir es nun schon 15 Jahre gemeinsam ausgehalten haben und ich tatsächlich sehe, wie ihr Körper altert. Was für ein Glück!»

Patrick
«Wenn wir im Doggystyle Sex haben, merke ich richtig, wie sie sich unwohl fühlt. Einmal fragte ich sie, ob ich sie auf diese Weise zu tief penetriere.
Sie verneinte und sagte, eigentlich würde ihr diese Position sehr gefallen, weil sie das Gefühl mag, wie mein Penis in sie eindringt und ich das in dieser Position am besten mehrfach hintereinander hinkriege, ohne irgendwie abzurutschen. (Auch so etwas, das sie in Pornofilmen nicht zeigen, wie oft man nicht so richtig tüpft …) Und sie findet es schön, wenn ich von hinten mit den Händen an ihre Hüfte greife.
Dann druckste sie rum und gestand irgendwann den Grund ihres Unwohlseins:
Sie befürchtete, ihr Hintern sähe unsexy aus. Wie er wabbelt bei meinen Stossbewegungen.
Wie ich ihre Haare in der Po-Ritze sehen könne und ihren ungebleichten Anus. Und dann noch die Cellulite hinten an den Oberschenkeln. Und ihre tief baumelnden Brüste.
Ich war baff. Darauf wäre ich nie gekommen! Wenn ich Sex habe, gucke ich meine Partnerin an, aber ich suche doch nicht nach angeblichen Makeln! Welche Körperstelle wabbelt denn nicht, wenn man sich heftig bewegt?
Und wieso ist Cellulite eigentlich hässlich?
Es erregt mich, wenn sich ihr Körper im Rhythmus meiner Stösse bewegt. Haare zwischen Po-Backen stossen mich nicht ab, ich hab da übrigens selbst welche.
Und ich fände es eher eigenartig, wenn sie in ihrer Freizeit den Anus bleichen liesse statt etwas zu tun, was ihr gefällt. Vor allem, weil wir beide nicht so auf anale Stimulationen stehen und diese Körperstellen deshalb gar nicht in unser Sexleben einbezogen werden.
Viel lieber wäre es mir, sie kann beim Sex einfach abschalten und geniessen, was wir da gerade tun.
Es ist für mich nämlich viel unangenehmer, wenn ich ihre Verspannung bemerke – das törnt mehr ab als der Anblick von wabbelndem Fleisch.»
Denis
«Beim Sex in der Missionarsstellung hält meine Freundin immer ihre Brüste. Ich fragte sie, ob sie das stimuliere, sich an den Nippeln zu berühren. Und ich könne die Nippel gerne auch mal einbeziehen in dieser Stellung.
Sie sagte, dass sie die Brüste nur festhält, damit sie nicht zur Seite kippen.
Ich muss sie angeschaut haben wie ein Volldepp. Wieso tut sie das???
Brüste sind weich, das ist ja das Schöne an ihnen. Und wenn sie etwas zur Seite kippen, dann tun sie das halt. Dann kann ich die Stelle dazwischen küssen und dort riecht sie so gut, dort ist IHR Duft.»
Dieser Text stammt von Any Working Mom, geschrieben von Anja Knabenhans, illustriert von Sarah Weishaupt.