Patrick Koller wollte Cellospielen lernen. Weil er aber keinen Musiklehrer fand, der ihm zu der für ihn passenden Zeit und dem zu ihm passenden Konzept Unterricht geben konnte, blieb es beim Wunsch. Bis er sein Schicksal selbst in die Hand nahm – und mit Matchspace kurzum das Tinder für Musikliebhaber gründete. Aber lest selbst.
-Patrick Koller ist Gründer und Geschäftsführer der Musik-Plattform Matchspace. Gemeinsam mit seiner Frau Viviane, seiner Tochter Elicia (2.5 Jahre) und seinem Sohn Kian (9 Monate) lebt er in Herrliberg.
Matchspace-music.ch
Tadah: Du hast mit Matchspace eine Plattform entwickelt, die sich ganz der Musik und dem Musikunterricht verschrieben hat. Erzähl!
Die Idee von Matchspace ist ganz klassisch aus einem eigenen Bedürfnis entstanden. Ich wollte Cellospielen lernen und war auf der Suche nach einem Musiklehrer – und habe keinen gefunden.
Wieso bist Du denn nicht einfach zu einer Musikschule gegangen?
Weil die für mich nicht das perfekt passende Angebot haben. Ich wollte Unterricht zu Randzeiten und wollte zudem selbst auswählen, welcher Musiklehrer am besten zu mir passt und in welcher Regelmässigkeit ich Unterricht haben möchte. Ich habe dann gemerkt, dass es nicht nur mir so geht. Und dass es zudem viele Musiker gibt, die gerne unterrichten würden. Es sind also viele Leute auf der Suche – nacheinander. Und sie finden sich nicht.
Tinder für Musikliebhaber?
Wenn man so will, ja. Aber es geht eigentlich einen Schritt weiter. Denn ich möchte Menschen zusammenbringen und ihnen so die Möglichkeit geben, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und zu entfalten.
Wie genau funktioniert Matchspace?
Als Schüler sucht man nach dem gewünschten Instrument. Man kann zudem sein Niveau anwählen, die Unterrichtsdauer, an welchen Tagen oder Tageszeiten man Unterricht nehmen will und ob man Unterricht bei sich zu Hause, beim Musiklehrer im Studio oder als Live Session online haben möchte. Wenn man den gewünschten Kurs, Lehrer und die passenden Unterrichtszeiten gefunden hat, bucht man den Unterricht bequem und sicher direkt über die Plattform.
Die Lehrer wiederum können auf Matchspace ein Profil erstellen und ihren Unterricht anbieten. Wir überprüfen dabei jedes Profil, um die Qualität sicherzustellen. Die Lehrer erhalten also eine Plattform und müssen sich nicht mehr um Akquise, Buchhaltung und Administration kümmern. Sie haben zudem die Freiheit nach ihrer Philosophie und Verfügbarkeit zu unterrichten und nicht nach derjenigen, die ihnen eine Musikschule vorschreibt.
Was bedeutet Dir Musik?
Ich habe als Kind jahrelang Klavier gespielt. Als Jugendlicher habe ich dann selbst Mixtapes gemacht und war auch ein wenig als DJ unterwegs. Generell höre ich seit ich denken kann Musik. Und zwar in all ihren Facetten und Genres. Musik ist mein stetiger Begleiter. In einer Phase, in der ich viel Klassik gehört habe, habe ich mich angefangen für das Cello zu interessieren und meine Frau hat mir zum Geburtstag eine Cellostunde geschenkt. Als ich dieses Instrument in den Händen hielt und seinen Ton gespürt habe, habe ich gemerkt, wie sehr mir das Musizieren gefehlt hat. Und ich wusste: Ich will das in meinen Alltag integrieren.
Welches ist Dein Lieblingssong?
Ich höre extrem viel und aber eben auch extrem breit Musik. Ich liebe Soul, finde Blues grossartig, aber ebenso Jazz und Hiphop – sowie natürlich Klassik. Mit den Kindern ist viel Kindermusik dazugekommen. Wobei «mini Farb und Dini» dann doch eher das Lieblingslied meiner Tochter ist als meines.
Man sagt: Musik befähigt. Wie siehst Du das?
Musik bewegt. Und das Spielen eines Instruments noch viel mehr. Es fördert die geistige Leistungsfähigkeit, es stimuliert unser Hirn und es fördert auch die Kreativität. Zudem ist es gut für unsere Gesundheit. Denn das Musizieren kann uns Ängste und Stress nehmen. Wir werden auch geduldiger und erhalten mehr Ausdauer. Musik ist also sehr wertvoll für die Entwicklung unserer Persönlichkeit.
In der klassischen Musikschule ist es oft so, dass der Klavierunterricht zum Beispiel am Mittwoch von 3 bis 4 ist. Jede Woche. Wenn das nicht passt, dann kann das Kind kein Klavier spielen. Das ist doch schade.
Interessant – vor allem auch, wenn wir an Kinder denken.
Ja, sehr. Das Spielen eines Instruments bringt all die Vorteile natürlich auch für unsere Kinder. Was ich hier als wertvoll erachte, ist, dass das Musizieren das Selbstvertrauen des Kindes aufbaut. Wenn das Kind merkt wie es durch das üben besser wird und vielleicht sogar an einem Konzert oder auch zu Weihnachten was vorspielen kann, ist das eine tolle Erfahrung und Bestätigung. Wie dem auch sei, all diese Vorteile sind meiner Meinung nach zu wenig bekannt.
Die Musik müsste als Pflichtfach in der Schule sein?
Die Schule ist sehr auf die akademischen Fächer ausgerichtet und weniger auf die kreativen und künstlerischen Bereiche. Man darf aber auch nicht alles auf die Verantwortungen der Schulen abschieben. Es ist deswegen eben auch wichtig, neue Angebote zu schaffen. Und so einen neuen Weg zu finden, dem Musizieren mehr Raum zu geben. Raum, der eben flexibel genutzt werden kann – so wie es für den Schüler am besten passt. In der klassischen Musikschule ist es oft so, dass der Klavierunterricht zum Beispiel am Mittwoch von 3 bis 4 ist. Jede Woche. Wenn das nicht passt, dann kann das Kind kein Klavier spielen. Das ist doch schade.
Während der Corona-Krise habt Ihr Euren Service mit einem Online-Angebot ergänzt. Musik ist doch aber etwas sehr Emotionales. Funktioniert das über den Screen wirklich?
Man muss unterscheiden zwischen aufgenommenem Inhalt – der also asynchron stattfindet. Und dem Liveunterricht, der synchron und in der direkten Interaktion mit dem Lehrer stattfindet. Jede Stunde ist somit eine einzigartige Erfahrung – auch wenn sie online stattfindet.
Als Eltern muss man extrem aufpassen, dass man seine eigenen Vorlieben nicht auf die Kinder überträgt. Und auch seine Erwartungen nicht.
Wärst Du enttäuscht, wenn Deine Kinder keine Musik spielen würden?
Ich fände es sicher schade. Aber als Eltern muss man extrem aufpassen, dass man seine eigenen Vorlieben nicht auf die Kinder überträgt. Und auch seine Erwartungen nicht. Ab einem gewissen Punkt muss man loslassen. Das Kind muss, wenn es ein gewisses Alter erreicht hat, seine eigenen Entscheidungen treffen dürfen.
Wie findet man denn das für sein Kind passende Instrument?
Kein Kind ist gleich. Das eine mag’s rhythmisch, das andere melodiös. Was das Wichtiste bei der Wahl des Instruments ist? Das Kind soll Freude haben. Denn nur so will es das Instrument auch spielen, wird es üben und sich entwickeln wollen. Dabei ist eben auch die Beziehung zum Musiklehrer wichtig.
Ok, dann erübrigt sich die Frage: Wie motiviere ich mein Kind zum Üben?
Wenn das Kind nicht will, sollte man sich fragen, ob die richtigen Umstände geschaffen wurden, dass es Freude hat. Denn wenn es Freude hat, dann bleibt es auch dran. Und dann wird es besser. Genau so fördern wir die Entwicklung – mit leidenschaftlichem Lernen. Kinder leben im Moment und in den Gefühlen, das ist dann matchentscheidend.
Wie siehst Du Deine Rolle als Vater?
Ich möchte für meine Kinder da sein, wenn sie mich brauchen. Ich möchte sie fördern und ihnen Möglichkeiten geben, sich so zu entwickeln, dass sie sich verwirklichen können und ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Und ich möchte ihnen Werte vermitteln, die ihnen Klarheit geben bei wichtigen Entscheidungen, die sie treffen werden. Was mich heute primär antreibt ist: Ich will Leute befähigen, ihre Leidenschaften zu entwickeln, zu teilen und ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, sei es in Vollzeit oder in Teilzeit
Die Gefühle von Kindern sind unglaublich intensiv. Dies als Vater mit und durch seine Kinder zu erleben, ist eine wunderschöne Erfahrung, auch wenn sie mich immer wieder mal an die Grenzen meiner Geduld bringen.
Inwiefern hat Dich Vatersein verändert?
Meine Kinder zeigen mir, was es heisst im Moment zu leben. Ihre Gefühle sind unglaublich intensiv – sowohl was fröhliche und enttäuschende Erlebnisse anbelangt. Dies als Vater mit und durch seine Kinder zu erleben, ist eine wunderschöne Erfahrung, auch wenn sie mich immer wieder mal an die Grenzen meiner Geduld bringen. Als Vater spüre ich auch eine ganz andere Verantwortung. Verantwortung für sie, was ihr Wohlergehen und ihre Entwicklung anbelangt, aber auch Verantwortung gegenüber mir selber, was es heisst mit gutem Vorbild voranzugehen.
Von wegen Verantwortung: Deine Stelle im Unternehmen – den sicheren Job – den hast Du nun aufgegeben, um Dich ins Abenteuer Startup zu stürzen. Braucht das Mut?
Es braucht vor allem eines: Überzeugung. Du musst Vertrauen haben in dich selbst und in die Situation, Herausforderungen zu meistern. Ich bin mir meiner Verantwortung sehr bewusst. Der Verantwortung als Familienvater und auch der damit einhergehenden finanziellen Verantwortung. Aber es ist halt eben das Risiko, das ich managen muss.
Wünschst Du Dir mehr Zeit mit Deinen Kindern zu verbringen und ist das – wenn man selbstständig ist – eher möglich?
Ich glaube die Selbständigkeit gibt mir in erster Linie mehr Flexibilität. Die Herausforderung in einem Startup, ist ja gerade, dass es viele Unbekannten und Unsicherheiten gibt und Ressourcen knapp sind. Deshalb ist es unglaublich wichtig, sich selber auch gewisse Grenzen zu setzen, Rituale mit der Familie, zB gemeinsames Abendessen oder Bettrituale zu priorisieren, und in diesen Zeiten auch wirklich präsent zu sein.
Habt Ihr die Entscheidung Deiner Selbstständigkeit als Familie getroffen?
Ja, klar. Meine Frau steht voll und ganz hinter mir. Und es ist uns ja auch klar, dass es in der Natur des Startups liegt, dass es auch nicht funktionieren kann. Aber ungeachtet des Outcomes ist eines sicher: Es ist eine sehr wertvolle Erfahrung, die mich auch sehr viel lehrt. Das was ich jetzt mitbringe und umsetze, kann ich dann auch wieder in ein Unternehmensumfeld zurückgeben. Ich sehe es nicht als Einbahnstrasse – sondern als neuen Weg, den ich einschlage und auch auf diesem gibt es verschiedene Abzweigungen. Da werde ich mich immer wieder entscheiden müssen, gehe ich nach link, nach rechts oder weiter geradeaus?
Wohin soll Dich dieser Weg führen?
Ich bin grundsätzlich flexibel und agil. Ich bin überzeugt, dass es eben auch darum geht, Opportunitäten zu sehen und diese dann wahrzunehmen. Gleichzeitig braucht es Beharrlichkeit. Als nicht etablierter Brand Bekanntheit zu erlangen und die Nachfrage zu fördern – das ist nicht einfach. Aber genau deswegen ist ja die Überzeugung so wichtig.
Ich will Leute befähigen, ihre Leidenschaften zu entwickeln, zu teilen und davon zu leben.
Ich hatte das Glück in den letzten 15 Jahren im In- und Ausland Innovation voranzutreiben. Ich habe in unterschiedlichen Branchen und Umfeldern gearbeitet. Was ich heute genau weiss: Ich will Leute befähigen, ihre Leidenschaften zu entwickeln, zu teilen und davon zu leben.
Soll dies auch über die Musik hinausgehen?
Durchaus möglich, ja. Es gibt so viele Bereiche, in denen Leute tolle Talente haben, aber davon leider nicht leben können. Ich möchte mich aber auf Bereiche fokussieren, die für die Persönlichkeitsentwicklung relevant sind. Neben der Musik gibt es da durchaus noch andere Bereiche, beispielsweise Tanz, der ganze gestalterische Bereiche, Kunsthandwerk, um nur einige verwandte Bereich zu nennen.
Was wünschst Du Dir also für die Zukunft?
Menschen sehnen sich nach Sinn und Zweck in dem, was sie tun. Wenn sie ihrer Leidenschaft folgen und ihre Talente entwickeln, geschehen wunderbare Dinge. Ich möchte diese Menschen befähigen und ihnen die beste Plattform bieten, um dies zu ermöglichen und zu fördern. Diese Vision möchte ich zum Fliegen bringen. Denn ich bin überzeugt, dass wenn mehr Menschen das machen, was sie wollen und wozu sie sich berufen fühlen, dass nicht nur sie erfüllter sind, sondern dadurch auch ihr Umfeld positiv beeinflussen.
Was mich dann wiederum zu meinen privaten Wünschen führt. Ich weiss, dass wenn ich tue, was mich erfüllt, weil es von grösserer Bedeutung ist, werde ich diese positive Energie auch nach Hause tragen – und so mein berufliches Tun meine Familie positiv beeinflusst. Und so wünsche ich mir, dass ich diese Freude und Dankbarkeit für das Leben niemals verliere – egal was geschieht.