Die Amerikanerin Sarah Bowman trägt New York im Herzen und wohnt mit ihrem Mann in Stans. Mit ihrem Debütalbum «One Day Baby» und ihrer Tochter Cecilia ist sie durch die USA getourt. Das Indi-Folk-Duo feierte da nicht nur ihre Platte, sondern auch den ersten Geburtstag ihres Kindes.
Sarah Bowman lebt für die Musik. Gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Claire feierte sie mit «The Bowmans» Erfolge und gab über 1000 Konzerte in 12 Ländern. Nun bildet sie mit ihrem Mann René das Indi-Folk-Duo «Famous October». Die beiden wohnen mit ihren Kindern Cecilia (2) und Elliot (1 Monat) in Stans. Famous October
Tadah: Wie verliebt sich eine Songwriterin aus den USA in einen Innerschweizer aus Stans?
In New York haben meine Schwester und ich den Berner Songwriter Christopher Trummer kennengelernt. Gemeinsam mit ihm waren wir dann als «The Bowmans» in der Schweiz auf Tour. Christopher war ein Freund von René, der dann eines unserer Konzerte in Luzern besuchte. Wir lernten uns kennen, sprachen miteinander...
Und verliebten Euch?
Nein, nicht ganz. Kurz nachdem ich René kennenlernte, durchlebte ich eine harte und unerwartete Trennung. René, der ja selber auch Musik machte und zu dieser Zeit in New York war, liess mich in seinem Gästezimmer wohnen. Er war sehr grosszügig und erlebte mich an einem meiner absoluten Tiefpunkte. Wir blieben in Kontakt und er wurde unser Tourmanager. Er begleitete uns auf unseren Reisen. Das heisst einiges. Denn wenn du auf Tour bist, dann siehst du dich in Ausnahmesituationen. Nie gibt es einen Zeitpunkt, in dem du gestresster, müder und emotionaler bist, als dann.
Ihr habt also begonnen gemeinsam Musik zu machen.
Es gab diesen Abend in New York. René hatte einen Auftritt in einem Lokal, in dem ich und meine Schwester oft spielten. Er bat mich also auf die Bühne, um einen seiner Songs zu singen. Wir hatten nie zuvor zusammen Musik gemacht. Aber es harmonierte sofort. Es war ganz natürlich, mit ihm zu singen. Der Song wurde der Hit des Konzerts. Ich denke, dass war der Abend, an dem diese Idee, gemeinsam Musik zu machen, in unseren Köpfen entstanden ist. Auf seinem nächsten Album habe ich dann Cello gespielt und Harmonien gesungen.
Wann kam die Liebe?
René hat mich in dieser Zeit sehr gut kennengelernt. Er hatte mich durch schwere Zeiten begleitet, hatte mich in intensiven Momenten erlebt. Und er war immer da. Und er blieb vor allem da. Eines Tages sassen wir vor einem Konzert alle gemeinsam an einem grossen Tisch. René machte mir vor versammelter Runde ein Kompliment und ich reagierte nicht. Er sagte dann nur: «Ich sollte wohl einfach aufgeben!». In diesem Moment habe ich realisiert, was er mir bedeutet. Es ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich habe lange gebraucht. Aber ich weiss auch warum.
Er war einfach ein guter Kerl, der richtige Mann. Und das hat mir Angst gemacht.
Warum?
Er war einfach ein guter Kerl, der richtige Mann. Und das hat mir Angst gemacht. Ich habe mir bis dahin immer die Falschen ausgesucht. Es waren immer Männer, die mir zwangsläufig einen Grund gaben, sie zu verlassen. Und ich wusste, er würde mir diesen Grund nicht geben. Also habe ich mich darauf eingelassen. 2012 haben wir geheiratet.
Im Oktober.
Ja. Der Oktober war für uns immer schon ein spezieller Monat. Wir haben schöne Erinnerungen an unsere Zeit in Ashville, North Carolina, wo wir vor einigen Jahren gewohnt haben. Und später in New York war der Indian Summer unsere Lieblingsjahreszeit. Im Oktober 2012 haben wir uns in Iowa am Ufer des Mississippi das Ja-Wort gegeben. Später dann im Oktober feierten wir ein Hochzeitsfest in der Schweiz.
Wie ist es verheiratet mit seinem Bandpartner zu sein?
Ich hatte quasi schon Übung darin. Denn gemeinsam mit meiner Zwillingsschwester eine Band zu haben, war um einiges anstrengender. Mit René Musik zu machen, ist sehr inspirierend. Alles was wir lieben vereinen wir in Famous October. Und so können wir auch gemeinsam als Familie unterwegs sein.
Ihr wart für Euer Debütalbum «One Day Baby» auf US-Tour. Cecilia hat währed der Tour ihren ersten Geburtstag gefeiert. Erzähl.
Als wir beschlossen haben, eine Familie zu gründen, war es uns extrem wichtig, dass wir auch unsere Musikkarriere weiterhin verfolgen. Denn dies ist ein grosser und wichtiger Teil von uns. Musik zu machen und Konzerte zu geben, macht uns glücklich. Und als Eltern glauben wir, dass es einen positiven Einfluss auf unsere Kinder hat, wenn wir glücklich sind. Während der Tour waren die Bedürfnisse von Cecilia aber natürlich Priorität Nummer 1.
Das muss doch aber wahnsinnig anstrengend sein, mit einem Baby eine Tour zu bestreiten?
Natürlich ist es kein Zuckerschlecken. Und es war eine Challenge. Aber ehrlich gesagt, war es dies nur für uns. Cecilia war während der gesamten Tour extrem entspannt und glücklich und schien viel Spass zu haben. Sie liebt es, um Menschen herum zu sein und die Musik ist ein Teil von ihr. Schliesslich hört sie sie schon seit sie existiert. Sie war quasi immer zwischen mir und meinem Cello.
Wie habt Ihr Euch während der Tour organisiert?
Wir hatten eine Nanny mit dabei. Sie war mit Cecilia entweder in der Unterkunft, im Backstagebereich oder aber im Konzertsaal. Das kam ganz auf die Umstände an. Wir haben viel bei Freunden oder Familie übernachtet. Durch die Musik kennen wir Leute im ganzen Land und so haben wir auch unsere Tour-Route organisiert. Zum Glück!
In Nashville, Tennessee hat der berühmte Glen Phillips und seine Freundin Dusty auf Cecilia aufgepasst.
Warum?
Wir mussten uns während der Tour von unserer Nanny trennen. Hätten wir also nicht gute Freunde gehabt, wäre die Fortsetzung der Reise schwierig geworden. So konnten wir uns aber immer auf Leute verlassen, die sich während der Auftritte um Cecilia kümmerten. Da gibt es einige tolle Stories.
Wir brennen darauf sie zu hören.
In Charlotte, North Carolina mussten wir uns zum Beispiel auf Freunde von Freunden verlassen. Leute, die wir nie zuvor gesehen hatten. Es war eine Mutter mit ihrer 15-jährigen Tochter. Wir haben gemeinsam zu Abend gegessen und Cecilia war mit ihnen im Backstagebereich während wir spielten. In Nashville, Tennessee hat der berühmte Glen Phillips und seine Freundin Dusty auf Cecilia aufgepasst.
Hattet Ihr nie schlechte Reaktionen?
In den USA nie. In Deutschland gab es eine Situation, in der eine Frau mich regelrecht beschimpfte. Sie verstand nicht, wie wir das einem so kleinen Kind «antun» können. Nachdem wir aber mit ihr gesprochen hatten, war sie super nett und hat sogar unsere CD gekauft.
Wir konnten zuschauen, wie Cecilia an sozialer Kompetenz gewann.
Ihr würdet es also jederzeit wieder tun?
Unbedingt. Es war für uns alle eine Wahnsinnserfahrung. Wir konnten zuschauen, wie Cecilia täglich an sozialer Kompetenz gewann. Wir haben ein grosses Vertrauen in Menschen. Diese Vertrauen haben wir ihr weitergegeben. Heute ist sie sehr einfach, wenn es um neue Situationen geht. Sie mag es, um Menschen herum zu sein, ist sprachlich sehr weit und sie liebt Musik. Wir würden es also definitiv wieder tun.
Ihr streitet doch aber sicher auch?
Natürlich. Aber das ist auch ok. Aber am Ende brauchen wir all unsere Energie für die Kinder. Ich will sie also nicht an Streitereien verschwenden.
Du hast Ende letzten Jahres Deine Mutter verloren. Was war sie für Dich?
Alles. Wir haben die Tour auch so geplant, weil meine Mutter sehr krank war. Wir wollten noch einmal Zeit mit ihr verbringen, wollten das Cecilia mit ihr Zeit verbringt. Alles was ich tue, ist mit meiner Mutter verbunden. Alles hat einen direkten Zusammenhang mit ihr.
Wie genau meinst Du das?
Sie war und ist für mich eine Inspiration. Als wir Kinder waren, hat sie uns auf politische Konzerte mitgenommen. Konzerte, deren Erlös in die Menschenrechte, den Umweltschutz oder Ähnliches flossen. Alles Dinge, die heute für mich sehr wichtig sind. Ich sah viele Künstler wie Pete Seeger, Arlo Guthrie, Peter, Paul and Mary, Crosby, Stills, Nash & Young live. Diese sind auch heute noch meine Idole, weil sie versuchten, mit ihrer Musik aus der Welt einen besseren Ort zu machen. Meine Mutter hat sich immer für die Menschen stark gemacht und dafür gekämpft, dass alle Zugang zu sauberem Wasser, ein sicheres Zuhause und bessere Schulen haben. Sie lebte in den 6oern in New York, ist in den Bronx aufgewachsen. Meine Aufgabe ist es nun, meine Musik so zu nutzen, wie sie ihr juristische Studium und ihr umfangreiches Wissen. So möchte ich ihr Vermächtnis weitergeben.
Du bist auch in New York aufgewachsen?
Nein. Meine Eltern haben sich in New York kennengelernt. Wir sind dann aber nach Iowa gezogen, weil mein Vater einen Job bekommen hatte. Aber New York blieb immer wichtig. Wir hatten da Familie und vor allem Geschichte.
Iowa war also nicht Dein Ding?
Ich wollte immer schon in New York wohnen. Ich war fasziniert von all den Geschichten, die mir meine Mutter erzählte. Die Geschichten von Musik, Menschen und einer aussergewöhnlichen Community. Bereits als ich fünf Jahre alt war, wusste ich: Ich werde Musikerin und gehe nach New York.
Die Leute in New York leben den Gedanken, Musik nicht nur für sich selbst zu machen, sondern für eine grössere Idee. Musik, um die Welt zu verändern. Musik, die grösser und wichtiger ist, als das Individuum.
Da bist Du dann auch hin. War es so, wie Du es Dir ausgemalt hattest?
Absolut. Ich habe Unglaubliches erlebt, tolle Menschen getroffen, grossartige Momente genossen. New York hat alles: gute Musik, eine gute politische Bewegung, eine lange Geschichte. Und die Leute leben hier immer noch den Gedanken, Musik nicht nur für sich selbst zu machen, sondern für eine grössere Idee. Musik, um die Welt zu verändern. Musik, die grösser und wichtiger ist, als das Individuum. Ja, New York ist genau mein Ding.
Und trotzdem lebst Du jetzt in Stans. Hand aufs Herz: Das muss eine grosse Umstellung gewesen sein.
New York wird immer ein Teil von mir sein. Ich habe da viel erlebt, viel gelernt und erreicht. Und es ist der Ort, an dem unsere Liebesgeschichte begann. Aber es ist schwer mit New York Schritt zu halten. Es verändert sich ständig und es wird nie die Stadt bleiben, die du kanntest, als du dort warst. Nach Stans zu ziehen war ein harter Entscheid. Wir haben aber aus Stans den Ort gemacht, den wir lieben. Wir haben Songwriter aus all den Musikhochburgen der USA und Kanada eingeladen, um ihnen die Schönheit der Region zu zeigen. Und jedes Mal wenn ich jemandem dieses Dorf zeige, merke ich wieder, wie unglaublich schön es hier ist. Welche wunderbare Community wir hier haben, welche Magie diesen Ort umgibt.
Ja. Auch weil ich es nie geschafft habe, die Sprache zu lernen. Ich scheitere immer und immer wieder. Und ich stamme einfach aus einer völlig anderen Umgebung. Nichtsdestotrotz fühle ich mich hier sehr wohl, denn hier ist meine Familie. Und ich hoffe, dass ich auch eine Art Bereicherung bin. Es ist unser Ziel, unsere Liebe zu Stans allen Leuten mit auf den Weg zu geben – durch unsere Lieder und Geschichten auf der Bühne.
Was bringt die Zukunft für Famous October?
Wir möchten tolle Konzerte spielen und Musik aus dem richtigen Grund machen. Wir haben beschlossen, dass wir nicht versuchen werden, die grossen Massen durch die Mittel der Musikindustrie zu beeindrucken. Das ist nicht unsere Art. Das passt nicht zu uns. Wir wollen es geniessen. Wir möchten Lieder schreiben über unsere Erfahrungen, unsere Freuden, unsere Begegnungen mit Menschen. Und so hoffentlich einen positiven Effekt auf die Leute zu haben. Wir verfolgen unseren Weg. Und versuchen dabei, alles für unsere Kinder zu tun.