Ramon Näf arbeitet 100% in seinem Familienunternehmen, der Naef Group und lebt ein klassisches Familienmodell. Wie er trotz oder gerade wegen seines Burnouts alles so managt, dass Familie und Job unter einen Hut passen, hat er uns im grossen Tadah Interview erzählt.

Ramon Näf ist CEO des Familienunternehmens Naef Group. Gemeinsam mit seiner Frau Nicole, seinem Sohn Loris (11 Jahre) und seiner Tochter Jolina (9 Jahre) lebt er auf dem Feusisberg.
Naef-group.com
Tadah: Die Naef Group ist ein klassisches Familienunternehmen. Dein Vater ist Verwaltungsratspräsident, Deine Mutter Gesellschafterin, Deine beiden Schwestern so wie auch Deine Frau arbeiten in der Firma. Muss man als Familienunternehmer Familienmensch sein?
Familie wird bei uns gelebt. Und ja, ich bin definitiv ein Familienmensch. Wir arbeiten zusammen, aber wir pflegen das Familiäre auch privat untereinander. Mit Festen, mit vielen Gesprächen, mit regelmässigen Besuchen – das gehört bei uns dazu.
Zusammen leben, zusammen arbeiten? Funktioniert das? Und wann funktioniert es nicht?
Meine Frau Nicole und ich haben keinerlei Berührungspunkte im Geschäft – jeder hat seinen eigenen Aufgabenbereich. Ich find's schön, so haben wir auch mal die Möglichkeit, gemeinsam Mittag zu essen, normal zu reden, uns mal nur auf uns zu konzentrieren.
Ihr lebt ein sehr klassisches Familienmodell. Du arbeitest 100%, Nicole ist mehrheitlich daheim mit den Kindern. Ein Rollen-Klischee?
Der Wunsch nach dieser Rollenaufteilung kam von Nicole. Aber ganz ehrlich: Es ist auch meiner. Ich bin mir aber bewusst, dass es ja oft eine finanzielle Frage ist, ob es möglich ist, dass jemand ganz daheim bei den Kindern bleiben kann. Wir hatten das Riesenglück, dass wir uns das leisten konnten und können. Die wichtigste Frage scheint mir aber bei jeder Art von Familien-Organisation: Was will das Gegenüber? Und wenn sich jemand in den ersten Jahren 100% auf die Kinder konzentrieren will, dann ist doch das etwas Schönes.
Ich muss unser klassisches Rollenmodell nicht verteidigen.
Ist es ein Modell, das man manchmal auch verteidigen muss? Heute ist es schliesslich gang und gäbe, dass Männer Teilzeit arbeiten. Wieso Du nicht?
Nein, das muss ich nicht verteidigen. Es ist doch logisch, dass alle Modelle ihre guten und weniger guten Seiten haben. So ist das überall im Leben. Wenn es für jemanden von uns nicht mehr stimmt, müssen wir miteinander reden. Aber es geht ja auch genau darum: Miteinander. Nicht mit anderen, sich nicht von aussen beeinflussen lassen, sondern das machen, was für uns als Familie stimmt.



Braucht ein beruflich erfolgreicher Mann oder eine beruflich erfolgreiche Frau ein Gegenüber, das daheim plant?
Ich brauche das, ja. Das muss ich gar nicht schönreden. Hätte ich keine Partnerin, die daheim alles managt, könnte ich kein Unternehmen mit 70 Leuten führen. Es ginge schlicht nicht. Das heisst aber nicht, dass ich mich zuhause nicht einbringe. Ich bin zudem auch nicht der, der 12 Stunden im Büro sitzt. Diese Zeiten sind vorbei. Bevor die Kinder auf der Welt waren, habe ich sehr viel gearbeitet und musste auch schmerzhaft erleben wie es ist, wenn man zu viel arbeitet.
Die klassische Denke, dass der Chef als erstes im Büro ist und als letzter rausläuft, musste ich revidieren.
Das tönt nach Burnout?
Ja, ein klassisches. Und es hat mir die Augen geöffnet – für die Sachen, die wichtig sind. Denn ich musste mir die Frage stellen: Muss ich wirklich so viel wie irgendwie möglich arbeiten, oder kann ich mein Geschäft so aufstellen, dass das nicht mehr immer notwendig ist? Es war der Punkt, an dem mein Lernprozess anfing: Ich musste die klassische Denke revidieren.
Wie meinst Du das?
Anfangs dachte ich, dass ich immer da sein muss – morgens der Erste im Büro, abends der Letzte, der geht. Bis ich merkte, dass dies eigentlich nichts anderes ist, als ein Misstrauensvotum meinen Mitarbeitern gegenüber. Doch in diese Falle bin ich nicht alleine getappt. Auch das ist bei uns Familiensache. Erst hatte mein Vater ein Burnout, dann meine Mutter, dann war ich an der Reihe und schlussendlich sogar meine Schwester.
Das Burnout entsteht ja nicht nur, weil man zu viel arbeitet, sondern weil man auch alles drumherum nicht mehr richtig machen kann.
Ihr habt es alle erlebt und dennoch konntet Ihr Euch nicht gegenseitig helfen oder gar davor schützen?
Nein. Das Verrückte ist, dass dir dein Umfeld immer sagt: «Du arbeitest zu viel, Du wirkst gestresst.» Das Problem ist aber, dass ein Burnout ja nicht nur entsteht, weil man zu viel arbeitet, sondern weil man auch alles drumherum nicht mehr richtig machen kann. Man isst falsch, hat keinen Ausgleich, ist daheim nicht mehr präsent. Man nimmt zwar wahr, dass etwas nicht mehr stimmt, sich aber wirklich einzugestehen, dass man selbst in einer Burnout-Situation ist, negiert man komplett.
Was waren die ersten Anzeichen?
Ich wurde übergewichtig. Denn ich habe nur noch schnell gegessen. Zudem fehlte der Schlaf, weil ich nicht mehr abschalten konnte. All dieser Anzeichen war ich mir zwar bewusst, aber was sollte ich tun? Ich hatte schliesslich ein Programm zu absolvieren. Ich konnte nicht sagen: So, jetzt geh' ich heim. Das ging bis zu dem Zeitpunkt gut, an dem ich ins Geschäft kam und den Computer nicht mehr anstellen konnte. Ich wusste nicht mehr wie, konnte mich nicht mehr an mein Passwort erinnern. Da war mir schlagartig bewusst: Jetzt ist gar nicht mehr gut.
Will ich Ende Jahr möglichst viel im Kässeli haben – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit und Familie? Oder will ich dafür sorgen, dass ich genug verdiene, ich aber gleichzeitig mein Leben managen kann, ohne permanent 12 Stunden im Büro zu sein.
Was hast Du gemacht?
Ich habe im Geschäft vieles verändert. Ich habe mehr Schnittstellen geschaffen. Schlussendlich ist es ein Abwägen, was wichtig ist: Will ich Ende Jahr möglichst viel im Kässeli haben – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit und Familie? Oder will ich dafür sorgen, dass ich genug verdiene, ich aber gleichzeitig mein Leben managen kann, ohne permanent 12 Stunden im Büro zu sein. So haben wir als Familie gemeinsam entschieden, was uns wichtig ist.



Du sagtest mal: Ein Familienunternehmen denkt in Generationen, nicht in Zahlen. Was bedeutet das für Deine Kinder?
Am Ende des Jahres ist es nicht jeder Franken wert. Wir wollen qualitativ so gute Arbeit leisten, dass auch mal eine dritte Generation Platz hat im Unternehmen. Da muss man den Kunden gegenüber auch mal Kulanz zeigen.
Die dritte Generation, das wären Deine Kinder?
Das können wir weder wissen noch bestimmen. Mein Vater sagte mir: Mache alles, aber komm ja nicht in meine Firma. Es war also nie Thema, dass ich bei ihm einsteige und ich habe auch meine Ausbildung nicht danach ausgelegt. Wir sind alle unseren eigenen Weg gegangen.
Dein Weg wurde aber zu Eurem Weg. Wann?
Die Firma hat sich quasi von heute auf morgen verändert. Bis 1999 vertrieb mein Vater unsere Produkte weltweit auf Franchise-Basis. Bis ihm eine geniale Idee kam – und er das Unternehmen komplett darauf ausrichtete.
Dein Vater war ein Erfinder? Erzähl.
Seine Idee basierte darauf, dass es in bestehenden Häusern oft Eisenrohe hat. Die sind im Mauerwerk verbaut und führen Trinkwasser ins Badezimmer oder zur Küche. Im Wasser befindet sich Sauerstoff und dieser wiederum führt dazu, dass das Rohr rostet. Irgendwann ist die Korrosion soweit fortgeschritten, dass das Rohr zugewachsen ist oder leckt. Früher musste man dann alles rausreissen – Wände rausbrechen, Küchen oder Bäder entfernen. Ein Wahnsinnsakt.
Und alles andere als nachhaltig.
Genau. Dank diesem Vorgehen können wir die Rohre nun zuerst von innen her mit Druckluft trocknen, entfernen mit Sandstrahl den Rost und bilden anschliessend im bestehenden Rohr ein neues – dies ist dann das neue Trinkwasserrohr. Dasselbe machen wir auch für Fussbodenheizungen.






Zurück zum Fakt, dass der heutige CEO doch bitte nicht in des Vaters Firma einsteigen sollte.
Zu exakt der Zeit, in der mein Vater weg vom Franchise-Gedanken kam, war ich auf Jobsuche. Also hat er mich gefragt, ob ich den Vertrieb machen wolle. Da gab es dann viele, viele Gespräche. Als Sohn oder Tochter muss man definitiv mehr leisten als alle anderen.
Wie meinst Du das?
Ich habe den Vertrieb gemacht, den Aussendienst, die Beratung. All diese Aufgaben, die heute auf verschiedenen Schultern verteilt sind, habe ich selbst verantwortet. In vielen Familienunternehmen ist es so, dass die bestehende Firma auf gesunden Beinen steht, Mitarbeiter hat und ein Kind einen Elternteil als CEO beerbt. Und zwar auch oft so, dass der Nachfolger vorher gar noch nicht im Unternehmen tätig war. Das war bei uns nicht so. Es hat sich alles entwickelt und das ist ein Vorteil.
Es hat nächstes Jahr mehr Studierende als Lehrabgänger in der Schweiz, das sollte uns allen Bauchweh machen.
Apropos entwickeln: Wie wird sich Dein Unternehmen verändern? Was vererbst Du Deinen Kindern?
Die allergrösste Challenge ist es, gute Handwerker zu finden. Oder besser: überhaupt Handwerker zu finden. Es gibt viel zu wenige, die die Lehre im Bereich Heizungen/Sanitär beginnen oder abschliessen. In der Schweiz wird es nächstes Jahr mehr Studierende als Lehrabgänger geben. Das sollte uns allen Bauchweh machen. Ein Haus lässt sich planen, aber es braucht auch Leute, die es bauen. Wir können uns glücklich schätzen, wenn sich wenigstens einer auf eine Stellenanzeige bewirbt.
Was passiert, wenn keines Deiner Kinder die Firma übernehmen will?
Dann ist es so. Und dann ist es auch gut so. Denn das würde heissen, dass es nicht passt. Das Wichtigste ist, dass man seine Kinder bei der Berufswahl nicht in eine Ecke drängt. Wir befinden uns momentan in einer ungesunden Situation. Das ganze Schulsystem ist doch wahnsinnig. Was wollen wir denn erreichen? Müssen alle die gleiche Norm erfüllen?
Wenn ich mit meinen Mitarbeitern so umgehen würde, wie einige Eltern mit ihren Kindern, dann hätte ich keine Angestellten mehr.
Wir überfordern unsere Kinder?
Man muss sich doch überlegen, wieso unsere Lehrstellen nicht mehr besetzt werden. Verlangen wir zu viel von den Kindern? Müssen denn wirklich alle ins Gymi gehen? Was spricht dagegen, dass ein Jugendlicher, der ein handwerkliches Geschick hat und dies auch gern macht, nicht eine Ausbildung in dem Bereich macht? So haben schon Kinder Burnout-Anzeichen. Wenn ich mit meinen Mitarbeitern so umgehen würde, wie einige Eltern mit ihren Kindern, dann hätte ich keine Angestellten mehr.




Was passiert, wenn keines Deiner Kinder die Firma übernehmen will?
Dann ist es so. Und dann ist es auch gut so. Denn das würde heissen, dass es nicht passt. Das Wichtigste ist, dass man seine Kinder bei der Berufswahl nicht in eine Ecke drängt. Wir befinden uns momentan in einer ungesunden Situation. Das ganze Schulsystem ist doch wahnsinnig. Was wollen wir denn erreichen? Müssen alle die gleiche Norm erfüllen?
Wenn ich mit meinen Mitarbeitern so umgehen würde, wie einige Eltern mit ihren Kindern, dann hätte ich keine Angestellten mehr.
Wir überfordern unsere Kinder?
Man muss sich doch überlegen, wieso unsere Lehrstellen nicht mehr besetzt werden. Verlangen wir zu viel von den Kindern? Müssen denn wirklich alle ins Gymi gehen? Was spricht dagegen, dass ein Jugendlicher, der ein handwerkliches Geschick hat und dies auch gern macht, nicht eine Ausbildung in dem Bereich macht? So haben schon Kinder Burnout-Anzeichen. Wenn ich mit meinen Mitarbeitern so umgehen würde, wie einige Eltern mit ihren Kindern, dann hätte ich keine Angestellten mehr.
Was macht einen guten Chef aus und was einen guten Vater?
An und für sich ist es der gesunde Menschenverstand, den man beibehalten muss. Spüren, wie es den Leuten geht. Und fragen, ob man helfen kann. Ein kollegialer Coach sein, nicht patriarchisch und andere nicht ausschliessen. Wir sind eine Familie im Familienunternehmen. Wer also bei uns arbeitet, gehört auch in unsere Familie. Und in der Familie kommuniziert man ja auch miteinander. Das wiederum führt zu mehr Erfolg. An und für sich gibt es zum Vatersein keinen grossen Unterschied.
Führst Du auf Augenhöhe und erziehst Du auch so?
Nicht immer. Es wäre schön, wenn es immer so einfach wäre. Ich versuche es. Aber am Schluss ist es oft auch abhängig von meiner Tagesform. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, das tue ich nur auf Augenhöhe.
Was hat sich verändert, seit Du Vater bist?
Sehr viel, auch wenn ich weiterhin 100% arbeite. Ich kann viel besser abschalten, wenn ich heimkomme. Ich habe andere Themen, kindliche Themen. Die tun mir sehr gut. Denn sie bringen mich irgendwie zurück auf den Boden der Tatsachen Ich komme somit vom Personalproblem zum Problem fehlender Pokemonkarten.


