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Tigerfink-Mami und trotzdem keine Löwenmutter: Susanne von Albertini.

Susanne eröffnete vor knapp 25 Jahren als alleinerziehendes Mami den  Tiger-Fink. Ihr Kultprodukt ist – der Name ist Programm – das Tigerfinkli, der Schuh, der in der Schweiz seit 1938 die Füsse unserer Kinder kleidet.

Bilder von Raja Läubli

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Susanne von Albertini ist Besitzerin  des Tiger-Fink. Der Kinderladen an der Kreuzstrasse 36 im Zürcher Seefeld ist seit 1993 die Adresse für Kleider und Spielzeug. Ihr Sohn und seine Frau besitzen den N°2 und das Wood Love und bilden gemeinsam die Shopping Destination.

Hier geht's zum Shopping Guide.

Steht man bei Dir im Tiger-Fink fühlt man sich ein wenig wie in einem Kinderzimmer von anno dazumal. Wie kommt‘s?
Ich mag alte Sachen. Oder besser: Ich mag vor allem die Kombination von neuen und alten Sachen. Und das trifft auch den Puls der Zeit. Alte Kinderbücher sind zum Beispiel wieder voll im Trend. Das kommt auch daher, dass man sich heute wieder mehr Zeit für sein Kind nimmt. Man nimmt es auf den Schoss, erzählt ihm eine Geschichte. Nähe und Körperwärme sind uns wieder viel wichtiger.

Back to the roots also.
Ja, total. Wir leben in einer sehr abstrakten Zeit: Das Internet, die Medien, die Mobiltelefone - es ist alles elektronisch. Die Leute wollen zurück zur Wertschätzung. Sie wollen die Produkte spüren, sie anfassen. Und sie wollen gute Beratung bekommen. Unsere Kundinnen und Kunden sind viel redebedürftiger geworden und suchen das Gespräch. Es ist, als würden wir alle vereinsamen.

Wie stehst Du denn zum Internet?
Einerseits stellen die ganzen Internetshops für mich natürlich eine riesige Konkurrenz dar. Sie arbeiten unter ganz anderen Voraussetzungen und können so ihre Preise anders gestalten. Anfangs wollte ich mit dem Internet nichts zu tun haben, aber ich habe gerade noch den Rank erwischt. Ich wusste: «Einige Dinge musst Du einfach können, sonst bist Du aufgeschmissen». Ich kann heute also recherchieren, Rechnungen und Briefe schreiben sowie meine Mails beantworten. Das reicht für mich privat. Geschäftlich ist es für uns natürlich zu einem wichtigen Bestandteil geworden und so profitieren auch wir von den Möglichkeiten rund um die sozialen Medien und einem immer wichtiger werdenden Vertriebskanal mitttels unserem E-Shop www.tiger-fink.ch.

 

Wenn ich auf etwas schön finde, kaufe ich es, wenn ich auf etwas Lust habe, dann mache ich es.

 

Und wie wählst Du die Produkte aus, welche Du im Laden verkaufst?
Ich denke nicht an die Kunden: In allererster Linie muss es muss mir gefallen. Ich muss dahinterstehen können und davon überzeugt sein. Ich wähle die Produkte also wirklich aus dem Herzen.
Zudem habe ich nur einige ausgewählte Labels. Mir ist wichtig, dass diese nicht überall erhältlich sind. Zum Beispiel Oilily. Diese Marke hab ich von Anfang an gehabt. Sie passt in meinen Laden, passt zu mir und die Qualität stimmt. Bei mir passiert vieles aus dem Bauch heraus: Wenn ich etwas schön finde, kaufe ich es, wenn ich auf etwas Lust habe, dann mache ich es.

Du bist also eines Morgens aufgestanden und hast Dir gesagt: Ich will einen Laden?
Lacht. So einfach war es dann doch nicht. Sogar alles andere als einfach. Der Weg zum Tiger-Fink war lang. Und ab und zu auch steinig.

Erzähl!
Ich habe, auch auf Druck und Anraten meiner Eltern hin, eine Ausbildung zur Kindergärtnerin gemacht. Mir war aber von Anfang an klar, dass dies nicht mein Lebensberuf sein würde. Trotzdem habe ich die Ausbildung durchgezogen. Doch ich hatte diesen unbändigen Wunsch nach etwas anderem, etwas Kreativem.

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für Tadah.ch
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Einem Kinderladen?
Nein. Ich wollte unbedingt an die Kunstgewerbeschule. Dies meinen Eltern beizubringen war schwierig. Ich bin in einem behüteten Elternhaus in St. Gallen aufgewachsen. Für meine Eltern war klar: Ihre Tochter wird verdorben, bei diesem Pack in Zürich. Trotzdem bin ich gegangen.

Und wie war’s?
Super. Ich ging in die Kunstgewerbeschule, besuchte da die Textilklasse, und nebenbei habe ich bei Grieder mein erstes Geld verdient – und stand so das erste Mal in einem Laden. Nach meinem Abschluss habe mich sofort selbstständig gemacht und habe Textilentwürfe und Rapporte entworfen. Diese liessen sich damals gut verkaufen. Da konntest du noch mit der Mappe unter dem Arm in die Firmen und sie haben dir einzelne Rapporte abgekauft.

Wie ging es weiter?
Ich habe eine Ausbildung zur Stylistin gemacht und habe dafür ein Jahr im Photostudio Maur gearbeitet. Es waren die blühenden Zeiten der Werbung und eine leicht dekadente Zeit.

 

Er musste sich auf den Boden legen, alle Viere ausgestreckt, und ich habe gezeichnet und Schnittmuster entworfen.

 

Warum bist Du denn nicht da geblieben?
Die Welt der Werbung hat mich sehr interessiert. Aber es kam anders. Ich habe meinen Mann kennengelernt – auch er kam aus der Branche. Und ich wurde schwanger. Dominique kam 1978 zur Welt. Irgendwie habe ich gespürt, dass ich den Anschluss ans Berufsleben behalten muss.

Durch Dein Kind also der Weg zu den Kinderkleidern?
Ja, tatsächlich. Ich habe so viele Dinge für ihn bekommen, die mir nicht gefielen, so dass ich mir eines Tages gesagt habe: «Das kannst du besser!»  Dominique hat mir als Model gedient. Er musste sich auf den Boden legen, alle Viere ausgestreckt, und ich habe gezeichnet und Schnittmuster entworfen. So sind meine ersten Overalls entstanden. Jedes Stück war ein Einzelstück. Eines Tages bin ich damit an einen Markt nach Zug gefahren und man hat mir die Sachen aus der Hand gerissen. Es war echt genial und die Initialzündung für meinen ersten Laden.

Wie hast Du das denn organisiert mit den Kindern?
Dominique war, seit der Gründung des Hampelmanns, so hiess mein erster Laden, mitten drin. Was hätte ich auch tun sollen? Es war aber kein Problem, denn dieses Kind war ein solcher Strahlemann. Er war immer zufrieden, immer gut gelaunt. Der Laden lief und ich habe mein erstes Produkt eingekauft: die Oshkosh-Latzhose. Es lief wie am Schnürchen. Am Tag waren wir im Laden, abends hab ich meine Einzelstücke genäht.

Hattest Du Unterstützung?
Nicht wirklich. Und es wurde dann schwierig als mein zweiter Sohn Philippe auf die Welt kam. Er war ein völlig anderes Kind, ein Schreibaby. Er hat Nächtelang durchgeweint und ich hatte keine grosse Unterstützung von meinem Partner. Es war eine unglaublich anstrengende Zeit. Ich hatte kein Aupair, keinen Babysitter, keine Spielgruppe. Das gab es damals alles nicht respektive es hat gekostet. Mit solchen Gedanken konnte ich mich nicht befassen. Ich wusste, die Kinder müssen einfach mit, irgendwie muss das gehen. Dann kam die Trennung von meinem Mann.

Und der Zusammenbruch?
Es war anstrengend und sehr kräfteraubend. Aber zusammenbrechen kam nicht in Frage. Es musste funktionieren. Aber ich habe immer an mich selber geglaubt. So kam ich zum Tiger-Fink.

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Du hast also als alleinerziehendes Mami von zwei kleinen Buben einen Laden eröffnet?
Wenn man so will, ja. Aber da verging natürlich viel Zeit, bis der Laden da war. Ich hatte kein Geld und auch keinen grossen Plan. Dank Wiedereinstiegsprogrammen aber auch der Hilfe meiner Familie, kam ich meinem Ziel langsam aber sicher näher. Und ich habe gearbeitet wie eine Wahnsinnige. Den ganzen Tag und - sobald die Kinder im Bett waren - die halbe Nacht. Die Nachbarn waren via Babyphone zugeschaltet während ich in einem Lager Nachdienst gemacht habe.

Wenn man sich als Frau selbstständig macht, wird man auch im Jahr 2017 noch mit negativen Reaktionen konfrontiert. Wie war das in den Neunzigerjahren?
Mein Umfeld hat sehr schlecht reagiert. «Du läufst vom Regen in die Traufe» , «Du spinnst in dieser Zeit so etwas aufzubauen!», «Woher hast Du überhaupt den Mut?» , solche Sprüche hörte ich laufend. Es war sehr negativ. Aber ich konnte und wollte nicht loslassen.
Dazu kam, dass man ja schon mit dem Finger auf mich zeigte, weil ich alleinstehend war. Die Kinder waren in unserem Umfeld die ersten, die mit nur einem Elternteil gross wurden. Das tat mir auch leid. Denn so etwas wünschst du dir natürlich nicht für deine Kinder.

Du bist das Tigerfink-Mami. Warst Du auch ein Löwenemutter?
Nein. Ich hatte immer ein Urvertrauen in meine Kinder. Auch wenn wir auch schwierige Zeiten durchlebt haben – wer hat das nicht – habe ich immer gewusst, dass meine Kinder ihren Weg machen werden. Mein Prinzip in der Erziehung war: leben und leben lassen.

 

Man zeigte mit dem Finger auf mich, weil ich alleinerziehend war. Und dann wollte ich mich auch noch selbstständig machen.

 

Wie kamst Du zu diesem wahnsinnigen Ladenlokal?
Durch Zufall. Eines Tages habe ich im Tagi eine klitzekleine Anzeige entdeckt: Ladenlokalität im Seefeld zu vermieten. Es war das Quartier, das ich mir gewünscht hatte. Es war damals noch das Herz der Stadt. Alle wollten dahin, es hatte super Läden, es war zum Teil ein wenig wie in Paris. Ich habe also das Inserat gesehen und mit dem Vermieter einen Termin vereinbart. Ich weiss es noch, als wäre es gestern gewesen: Ich bin rein, habe es gesehen und gesagt: Das will ich, das nehme ich, das ist mein Laden!

War denn dieses Lokal für den Anfang nicht viel zu gross für Dich?
Doch natürlich. Ich konnte zum Glück grosse Teile untervermieten. An eine Modedesignerin, an einen Elektriker, unten im Keller war ein Tonstudio… Und auch für den vorderen Teil habe ich mir Unterstützung gesucht. Ich habe in der Anabelle ein Inserat veröffentlicht, über das ich eine Frau suchte, welche mit mir zusammen diesen Laden mit aufbauen sollte. Keine Menschenseele hat sich gemeldet.

Woran lag das?
Die Frauen hatten damals Schiss, sich selbstständig zu machen. Sie hatten keinen Mut und auch kein Geld.

für Tadah.ch
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Jetzt erzähl uns aber mal wie dieser Link zum Tigerfinkli zustande kam.
Ich wollte ein gutes Kinderschuhsortiment. Und ich wusste, ich will den Tigerfink als ersten Schuh haben. Diesen Schuh kannte ich schon aus meiner Kindheit, da spielte eine starke emotionale Komponente mit. Ich habe mich also mit dem Lieferanten in Kontakt gesetzt und habe den Tigerfink bekommen. Daraus ist meine Identität geworden. Ich habe den Namen schützen lassen und den Laden so genannt. Das hab ich wohl recht clever gemacht.

Kann man so sagen.
Dabei blieb es aber nicht. Der Gedanke ans Design liess mich nicht los. Ich habe mich mit dem Tigerfinkstoff auseinandergesetzt und habe angefangen daraus Erwachsenen- und Kinderkollektionen zu produzieren. Es lief sehr gut. Und das tut es immer noch.

Das Tigerfinkmuster hat ja nun aber so gar nichts mit einem Tiger zu tun.
Die Frage aller Fragen! Und ich habe darauf wirklich keine schlüssige Antwort. Der Gründer, Schuhmacher Edi Glogg, hat das erste Finkli 1938 hergestellt. Es war Weltkrieg, eine schwierige Zeit. Ich glaube nicht, dass er sich viel Gedanken zum Namen gemacht hat. Wahrscheinlich ist es einfach eine Zufallskonstruktion.

Ihr produziert und vertreibt heute auch die Tigerfinken..
Ja. Adrienne und Dominique sind seit einem Jahr für die Aktivitäten der Firma verantwortlich, was mich sehr freut.

 

Der Drang nach etwas Neuem hört nicht auf. Wir sind einfach eine Projektlerfamilie.

 

Du arbeitest nun also sehr eng mit deinem Kind zusammen. Geht das gut?
Ich muss sagen, hätte ich eine Tochter wäre es vielleicht anders. Aber es läuft wirklich super. Ich habe eine ganz tolle Schwiegertochter. Und Dominique und ich stehen uns sowieso sehr nahe.

Bist Du stolz?
Ja, sehr. Und ich bin mir bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist. Dominique und Adrienne sind uh lieb mit mir. Sie schauen, dass es mir gut geht. Ich habe eine geniale Situation. Ich hatte heftige Jahre, aber jetzt fühlt es sich so an, als wäre das als Geschenk zurückgekommen.

So soll es bleiben und weitergehen?
Wir haben uns ein ganzes Konzept aufgebaut, in dem der Tiger-Fink nur ein Teil ist. Dominique und Adrienen haben mit N°2 und Woodlove, einem Kleider- und Möbelgeschäft,  im selben Haus das Ganze zu einem übergeordneten Shoppingerlebnis aufgewertet.
Aber ich habe natürlich immer wieder Ideen. Der Drang nach etwas Neuem hört nicht auf. Wir sind einfach eine Projektlerfamilie. Das waren wir schon immer. Und ich glaube, das werden wir auch immer sein.

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