Karin wollte selbstständig werden - wusste nur nicht genau mit welcher Idee. Heute ist die zweifache Mutter erfolgreiche Arbeitgeberin, empfängt auf ihrem Mobiltelefon keine Mails und lässt abends sogar ihren Laptop im Büro.
Karin Streuli ist Gründerin und Inhaberin der KETS - der Akademie für
Make-Up-Kunst in Zürich. In fünfmonatigen Lehrgängen formt sie hier, in Zusammenarbeit mit internationalen Kosmetikfirmen und professionellen Dozenten, Make-Up-Artisten. kets.ch
Tadah: Du bildest in der KETS Leute zu Make-Up-Artisten aus. Warum?
In meinen vielen Jahren in der Kosmetikbranche habe ich immer wieder festgestellt, wie tief das Niveau auf diesem Beruf in der Schweiz ist. Das wollte und will ich ändern.
Bei mir stand nie im Vordergrund, mega gross zu werden, oder mega viel Geld zu verdienen.
Was macht Ihr nun anders?
Die Schulen, die es auf dem Markt gibt, haben sich in meinen Augen nicht so richtig weiterentwickelt. Vielerorts sind die Techniken, die den Schülern beigebracht werden, nicht mehr zeitgemäss. Unser Ziel ist also, den Markt aufzumischen. Wir bringen frischen Wind rein, orientieren uns an den Nachbarländern und auch an den USA.
Du willst also auch einmal das Ausland erobern?
Nein, mit der KETS, wie es sie heute gibt, nicht. Bei mir stand nie im Vordergrund, mega gross zu werden, oder mega viel Geld zu verdienen, sondern wirklich einfach eine Veränderung in diesem Berufsfeld in der Schweiz zu erreichen.
Ein altruistischer Gedanke.
Nein, natürlich nicht nur. Aber die KETS ist irgendwie auch die logische Konsequenz aus meinem Lebenslauf.
Erzähl.
Ich habe das KV gemacht, kam durch Zufall über eine Jobvermittlung zu einer Kosmetikfirma und habe aus Interesse in München dann die Ausbildung zur Make-Up-Artistin gemacht. Als ich nach Zürich zurückkam, fing ich bei MAC Cosmetics an zu schminken. Als die Brand Managerin von MAC Schweiz das Unternehmen verliess, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich sie ersetzen könnte. Doch irgendwie hat das eine zum anderen geführt und ich fand mich plötzlich in einer Führungsposition wieder.
Ein steiler Aufstieg.
Ja. Und ein schwieriger. Ich hatte anfangs viel zu wenig Know-how, um diesen Job zu machen, hatte keine Führungserfahrung. Im Nachhinein habe ich sicher viel falsch gemacht, aber ich habe damals einfach versucht, aus der Situation das Beste zu machen. Es hat mich sehr gestärkt. Ohne diesen Job hätte ich das hier nicht gemacht.
Meine erste Tochter kam kurz vor meinen Abschlussprüfungen auf die Welt. Mein zweites Baby, die KETS, entstand in dieser Zeit.
Warum hast Du aufgehört?
Nach sechs Jahren war die Luft raus. Ich hatte viel erreicht, es kam die Finanzkrise. Der Umsatz ging zurück und es war schwierig, Gegensteuer zu geben. Ich habe dann auch gemerkt: Es tut mir nicht mehr gut. Ich habe viel gearbeitet, lange gearbeitet – und dann gekündigt.
Dann kam die KETS.
Lacht. Zuerst kamen Reisen und eine erneute Ausbildung. Ich habe die Textilfachschule gemacht und wurde schwanger. Meine erste Tochter kam kurz vor meinen Abschlussprüfungen auf die Welt. Mein zweites Baby, die KETS, entstand in dieser Zeit.
Quasi über Nacht geboren oder wie kam's?
Ich war zuhause mit meinem Baby, in der Nacht wach, am Tag wach – ich hatte so viele Zeit, mir Gedanken zu machen, was ich will. Das einzige, das ich wusste, war: Meine Selbstständigkeit wird im kosmetischen Bereich sein. Aber sollte es eine Agentur sein? Oder doch eine Schule? Die Schule war die kostspieligste Variante.
Woher kam das Geld?
Lacht. Ich hatte keins. Ich habe am Schluss ja alles fürs Reisen und meine Ausbildung ausgegeben. Mir war klar: Ich kann das nur machen, wenn ich ein Vorerbe beziehen kann. Ich hatte also lange Gespräche mit meinen Eltern. Ich musste ihnen die Idee wirklich verkaufen, habe ihnen meinen Businessplan vorgestellt. Und habe das Geld bekommen.
Das tönt perfekt.
Ja. Aber ich bin abhängig. Und das bin ich nicht gerne. Aber ohne finanzielle Hilfe war es unmöglich. Was dann noch geblieben wäre, wäre die Bank gewesen. Hätten beide nein gesagt, wäre es ein Traum geblieben. Man kann zwar schon an einem kleinen Ort etwas aufbauen, aber das gewisse Grundinventar kostet nun mal viel Geld.
Vier Tage vor Eröffnung habe ich erfahren, dass ich zum zweiten Mal schwanger bin. Ungeplant.
Was war das für ein Gefühlt am Tag der Eröffnung?
Ein ganz Grossartiges. Es war da, es war meins! Da war bloss ein "Problem".
Ja?
Vier Tage vor Eröffnung habe ich erfahren, dass ich zum zweiten Mal schwanger bin. Ungeplant.
Oha.
Ja. Ich wusste: Nächste Woche kommt die erste Klasse in die KETS und ich bin im zweiten Monat schwanger – das war dann die nächste Hürde.
Eine Hürde, die Ihr aber gemeistert habt.
Anfangs war es krass. Ich hatte so viel zu tun und zusätzlich war mir auch noch nonstop schlecht. Nach der Geburt unserer zweiten Tochter war ich nach einer Woche wieder im Geschäft. Die Kleine in der Tragehilfe und weiter ging‘s. Aber ich habe das auch gebraucht. Es lag ja auch alles in meinen Händen.
Bereust du diesen Stress? Glaubst Du, Ihr habt als Mutter-Tochter-Gespann etwas verpasst?
Ich hätte sie vielleicht später in die Krippe gegeben – sie ging nach drei Monaten. Doch ein schlechtes Gewissen hatte ich deswegen nie. Es waren mehr die Reaktionen von aussen. Viele haben das nicht verstanden. Was ich gemacht hätte ohne die KETS? Ich hätte den Mutterschaftsurlaub mit ihr wohl mehr genossen.
Wie organisiert Ihr euch heute?
Die Kleinen gehen zwei Tage die Woche in die Krippe, einen Tag schaut Papa, zwei Tage ich. Das geht super auf. Auch weil ich jetzt Angestellte habe. Und vor allem aber, weil ich etwas gelernt habe.
Das da wäre?
Ich gebe Dinge ab. Ich habe die Buchhaltung ausgelagert, ich habe eine IT-Firma angestellt. Wir konnten früher vier Stunden aufwenden, weil unser Drucker nicht ging – Kleinigkeiten, die unglaublich viel Zeit kosten. Klar, am Anfang machst du alles selber. Aber wenn ein wenig Kapital da ist, merkst du auch, dass das eigentlich gar nicht viel kostet – wenn du den direkten Vergleich hast mit dem Aufwand, den du investieren müsstest, erst recht nicht. Das ist mit die beste Entscheidung, die ich getroffen habe: Alles was dich Zeit kostet, du nicht kannst, oder dich nicht interessiert: auslagern!
Worin liegen heute Deine grössten Challenges?
Glaubwürdigkeit zu erlangen. Wir haben uns zwar einen sehr guten Ruf aufgebaut, aber dadurch es in der Schweiz keine amtliche Zertifizierung für diesen Beruf gibt, bleibt es schwierig. Was wir ein bisschen unterschätzt haben, respektive ich dachte, es sei einfacher zu lösen: das Bestehen unseres Lehrgangs. Wir sagen ja, dass wenn jemand wirklich nicht gut ist, dann fällt er durch. Ich kenne keine Schule, die das macht. Wir machen es wirklich. Das Problem ist: Was machst du mit diesen Schülern? Sie können Module kostenlos wiederholen, und kostenlos nochmals an die Prüfungen kommen. Es gibt aber Leute, die könnten tausendmal kommen und sie hätten es nie drauf. Sie haben ja aber dafür bezahlt. Dann bist du ein bisschen im Zwiespalt. Rechtlich ist das schwierig.
Das ist mit die beste Entscheidung, die ich getroffen habe: Alles was dich Zeit kostet, du nicht kannst, oder dich nicht interessiert: auslagern!
Die Lösung?
Wir stufen unsere Zertifikate ab nach: sehr gut, gut oder bestanden. Wenn es gar nicht geht, gibt es nur eine Kursbestätigung. Langfristig ist unser Ziel, dass wir Aufnahmeprüfungen haben. Wenn wir unsere 100%-Auslastung erreichen, was fast der Fall ist, dann werden wir solche einführen. Dann spürst du solche Sachen raus und siebst schon am Anfang.
Ist die KETS vereinbar mit Deiner Familie?
Jetzt: total! Ich komme um 08:30 Uhr ins Büro und gehe um 17:30 Uhr nach Hause. Ich bringe mein Pensum in drei Tagen unter. Jetzt bin ich an diesen Tagen, an denen ich mit meinen Mädels bin, wirklich mit ihnen. Ich sehe meine geschäftlichen Mails auf dem Handy nicht. Denn wenn, dann hätte ich immer das Gefühl, ich müsste arbeiten. Auch den Laptop lasse ich normalerweise hier im Geschäft. Ich bin also an meinen arbeitsfreien Tagen wirklich einfach nur voll und ganz Mami.