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Tadah

#mom2mom: Alexandra Meier.

In unserer Artikel-Reihe «Mom2Mom» gibt eine Mutter der nächsten das Wort. Mittlerweile sind wir im Fürstentum Lichtenstein angekommen und haben Alexandra kennengerlernt. Sie hat in ihrem Leben so einige Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Alexandra hat zwei Sternenkinder, ihre Mutter ist zudem verstorben. Ereignisse, die sie reflektieren liessen und lassen. Daran liess sie uns teilhaben.

Tadah: Wie hat sich Dein Leben verändert, als Du Mutter wurdest?

Die eindrücklichste Veränderung für mich ist wohl die konstante Verantwortung für ein anderes Wesen. Ich glaube, das kann man sich im Voraus kaum vorstellen und die meisten Väter, die ich kenne, machen diese Erfahrung (leider) nicht im selben Ausmass. Aber neben diesem Mental Load hat sich mein Leben auch entschleunigt und relativiert. Meine Prioritäten haben sich verschoben und ich kann auch ruhigen Gewissens einfach alles stehen und liegen lassen, wenn meine Tochter mich braucht. Die Welt dreht sich weiter. Diese Gewissheit bringt neben all den turbulenten Veränderungen auch sehr viel Ruhe mit sich. Zudem ist meine Tochter trotz all den sich ständig verändernden Phasen und Entwicklungsschritten auch eine Art Fixpunkt in meinem Leben geworden, an dem ich mich orientieren kann. Sie ist meine grösste Lehrerin.

Steckbrief
NAME
Alexandra Meier
KIDS
Malou (3), 2 Sternenbabys 
WORK-LIFE-INTEGRATION 
Momentan führt Alexandra 50% (und manchmal mehr) eine Boutique.

Findest Du Elternratgeber wertvoll? Und wenn ja, welche?
Ja, sehr. Aber nicht alle. Als ich Mutter wurde, war ich überzeugt, dass es richtig ist, sich einfach von seiner Intuition leiten zu lassen. Heute denke ich anders. Intuition fühlt sich meist gut an, spiegelt aber das Altbekannte, das wir selbst schon erlebt haben. Ich möchte nicht alles gleich machen wie meine Eltern. Ich möchte reflektieren und hinterfragen und für meine Kinder die bestmögliche Mutter sein. Ich bin heute eine ganz andere Mutter, als ich es bei der Geburt unserer Tochter erwartet hätte. Und ich bin froh darum. Ich durfte so viel lernen und aus neuen Blickwinkeln betrachten. Besonders hilfreich finde ich Bücher von Nicola Schmidt (artgerecht), Nora Imlau, Alfie Kohn, Jesper Juul, aber auch die Bücher vom gewünschtesten Wunschkind.

Heute stehen uns auch andere Medien zur Verfügung: So viele Gefahren das Internet auch bietet, ich muss ehrlich gestehen, dass ich ohne gewisse wirklich tolle, wohlwollende, unterstützende, friedliche und verständnisvolle Facebook-Gruppen vielleicht heute nicht die Mutter wäre, die ich bin. Aber Achtung, es gibt auch viele toxische Gruppen, die das Gegenteil bewirken.

Welchen Ratschlag würdest Du einer Mutter geben, die ihr erstes Kind erwartet?
Vertraue auf die Kraft in Dir und Deinem Kind. Hab den Mut, andere Wege zu gehen, als Dein Umfeld, wenn sie Deinem Herzen entsprechen. Nimm Dein Kind von Anfang an ernst und behandle es mit dem Respekt, den auch Du erwarten würdest. Bleibe auf Augenhöhe und offen für Veränderungen. Sei mutig genug, Deine Einstellungen und Traditionen zu hinterfragen. Und nimm Hilfe von Fachpersonen an, die sich wirklich auf ihrem Gebiet auskennen. Es gibt so viele wundervolle Menschen, die einen begleiten können. Angefangen von Doulas, Stillberater*innen, Schlafberater*innen, bis hin zu Reboarder-Berater*innen, etc.

Wann und warum wusstest Du, dass der Vater Deiner Kinder der Vater Deiner Kinder werden wird?
Schon mit 16 Jahren, als wir uns das erste mal küssten. Wir durften uns schon vorher als Freunde kennenlernen und ich hätte diese besondere Freundschaft nie aufs Spiel gesetzt, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, meinen Lebenspartner gefunden zu haben. Ich habe nun schon mehr als mein halbes Leben mit ihm verbracht.

 

Ich kenne tiefe Verzweiflung, Trauer, Angst und Überforderung. Aber irgendwie schaffe ich es in solchen Situationen meist, mich auf das Wesentliche zu fokussieren.

 

Hast Du je gedacht: Das schaff ich nicht? Und wenn ja, in welcher Situation? Und wie hast Du sie gemeistert?
Ich habe immer wieder Schicksalsschläge erlebt, die mich an meine Grenzen gebracht haben. Sie haben aber auch immer dazu geführt, dass ich über meine Grenzen hinausgewachsen bin. Ich kenne tiefe Verzweiflung, Trauer, Angst und Überforderung. Aber irgendwie schaffe ich es in solchen Situationen meist, mich auf das Wesentliche zu fokussieren. Denn auch wenn es wichtig ist, seine Emotionen zuzulassen und anzunehmen, kann ich immer nur aus dem, was ich gerade habe, das Beste machen. Mir Sorgen zu machen hilft weder der Zukunft noch der Gegenwart. Das Leben hat mich gelehrt, jeden Tag zu nehmen wie er kommt. Aber neben den grossen Schicksalsschlägen habe ich auch im Alltag immer wieder das Gefühl, diversem nicht gewachsen zu sein. Ich denke, das gehört dazu.

 

Mein Kopf ist ein bisschen wie ein Browser, in dem zu viele Fenster offen sind.

 

Hast Du manchmal ein schlechtes Gewissen Deinen Kindern gegenüber?
Ja, oft. Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, ihnen nicht gerecht zu werden. Ich muss noch stark an meiner Achtsamkeit arbeiten. Mein Kopf ist ein bisschen wie ein Browser, in dem zu viele Fenster offen sind. Ich kann zwar ohne mit der Wimper zu zucken den Haushalt liegen lassen (leider), aber ich sehe überall neue Projekte, die man realisieren könnte. Und so versuche ich oft meine Aufmerksamkeit zu teilen, obwohl es so wichtig wäre, sie ganz und gar einer Sache zu widmen. Ich weiss, dass meine Tochter sich mehr ungeteilte Aufmerksamkeit von mir wünschen würde.

Darf man als Mutter lügen? Und wenn ja, wann und wieso?
Uff… eine sehr gute Frage. Ich versuche so authentisch und ehrlich wie nur möglich zu unserer Tochter zu sein. Sie darf alles wissen, was sie wissen möchte und ich verstecke auch keine negativen oder schwierigen Emotionen vor ihr. Aber auch ich erwische mich manchmal bei einer Notlüge. Ich glaube das liegt dann meistens daran, dass meine Reserven gerade leer sind und ich uns einen Konflikt ersparen möchte. Ob es in diesen Situationen dann richtig ist, weiss ich nicht. Aber es passiert. Viel wichtiger finde ich, wie damit umgegangen wird, wenn so eine Lüge auffliegt. Meine Tochter wäre wohl sehr enttäuscht und frustriert, auch wenn es aus Erwachsenenperspektive kleine Notlügen sind und lächerlich wirkt. Für mich wäre es dann sehr wichtig, ihr diese Enttäuschung auch zuzugestehen und mich aufrichtig zu entschuldigen. Ich glaube es ist viel wichtiger, unseren Kindern vorzuleben, wie man mit Konflikten umgehen kann, als ihnen ein makelloses und reibungsfreies Leben zu gestalten.

Euer Lieblingskinderbuch?
Da gibt es verschiedene. Meine Tochter liebt aber Wimmelbücher. Ich mag sie auch, weil sie Raum für ganz viel Interaktion und Konversation bieten.

Wie sieht ein idealer Tag mit Deinen Kindern aus?
Es kommt gar nicht so sehr darauf an, was wir tun. Aber an einem idealen Tag gelingt es uns, untereinander kooperativ und wohlwollend zu bleiben. Wirklich perfekt wird der Tag dann für mich, wenn wir ihn auch noch als Familie alle zusammen oder mit tollen Freunden verbringen, mindestens etwas frische Luft bekommen und tolles Essen geniessen können.

 

An schlechten Tagen ist das Kooperationskontingent von uns allen schnell leer.

 

Wie einer «dieser» Tage?
An schlechten Tagen ist das Kooperationskontingent von uns allen schnell leer, wir erkennen Probleme zu spät und verwickeln uns in Teufelskreise. Ich enttäusche mich konstant selbst, weil ich meine Erwartungen nicht erfülle und hinke die ganze Zeit allem hinterher, anstatt einfach mal kurz alles auf Pause zu schalten und mich ganz mit der aktuellen Situation zu beschäftigen. Meine Tochter fühlt sich an solchen Tagen sehr unverstanden und kämpft mit viel Frust. Es sind die Tage, an denen man sich wünscht, dass es Abend wird und gleichzeitig ein unendlich schlechtes Gewissen wegen diesen Gedanken hat. Ich bin mir sicher, auch diese Tage könnte man friedlich und wohlwollend auf Augenhöhe lösen. Aber das Leben ist nun mal keine Demoversion. Manchmal geht alles drunter und drüber.

Welche Charaktereigenschaften soll Dein Kind von Dir haben?
Empathie und Authentizität. Und den Mut über schwierige Themen zu sprechen, sich für Schwächere aber auch für sich selbst einzusetzen. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass diese Eigenschaften in unserer Gesellschaft nicht immer erwünscht sind und einem so manches Problem einbringen.

Wofür gibst Du am meisten Geld aus?
Für Essen. Eindeutig für gutes (pflanzliches) Essen und alles was damit verbunden ist (Kochbücher, Küchenzubehör etc.).

Wie ähnlich bist Du Deiner eigenen Mutter?
Das ist eine sehr schwierige Frage, weil ich verschiedene «Versionen» meiner Mutter kennenlernen durfte. Vor und nach ihrer tödlichen Erkrankung. Ich würde sagen ich habe ihren Mut, sich für eine Sache einzusetzen, und die Motivation für andere da zu sein geerbt. Allerdings geht das bei uns beiden auch mit der Gefahr einher, sich für andere aufzuopfern und sich selbst hinten an zu stellen. Damit kämpfe ich immer wieder. Wie sie auch, kann ich Dinge anpacken und organisieren, mir Systeme zurechtlegen und mir vieles selbst beibringen. Aber die Art und Weise, wie wir dies tun, unterscheidet sich teilweise stark. Mama 2.0 – nach ihrer Erkrankung – hat mich zudem gelehrt, das Leben auszukosten und das Morgen Morgen sein zu lassen. Auch als Mutter bin ich wohl eher der Mama 2.0 ähnlich. Zu gerne würde ich ihr jedoch heute 1000 Fragen über meine Kindheit und ihre Einstellungen damals und jetzt stellen. Die Gelegenheit habe ich leider nie bekommen.

Was inspiriert Dich?
Menschen, die ihrem Gegenüber immer mit Respekt begegnen, auch wenn ihre Ansichten völlig gegensätzlich sind. Menschen, die authentisch, echt, reflektiert und ehrlich sein. Menschen, die den Mut haben, ihre Sensibilität zu leben. Und Menschen, die sich getrauen, ihrem Herz zu folgen, auch wenn es nicht mit gesellschaftlichen Konventionen vereinbar ist.

Was macht Dich nervös?
Konflikte mit Menschen, die mir nahestehen und generell Angst davor, in Diskussionen von Emotionen überwältigt zu werden und dadurch mein Anliegen nicht mit genug Ruhe und Wohlwollen kommunizieren zu können. Und irgendwo wohl auch die Bewertung anderer Menschen. Obwohl es mir eigentlich sehr egal ist, was andere denken und ich mich sehr gefestigt in meinem Dasein fühle, merke ich immer wieder, dass diese «Sorge darum, was andere wohl von mir denken» doch auch sehr tief sitzt und immer wieder zum Vorschein kommt.

Wie und wo tankst Du für den nächsten Tag Energie?
Aktuell ganz ehrlich mit einem entspannten Abend vor dem Fernseher. Und so schön gemütlich das auch ist, so sehr weiss ich auch, dass wir dringend auch wieder andere und viel wertvollere Rituale in unseren Alltag integrieren müssen.

Hat sich Deine Einstellung zu Deiner Karriere geändert, seit Du Mutter bist?
Schon, ja. Sie steht sicherlich öfter hinten an. Aber nicht, weil ich mich dazu gezwungen fühle. Ich fände es momentan einfach auch furchtbar, nicht einen Grossteil meiner Zeit mit meiner Tochter verbringen zu dürfen. Etwas mehr Ausgleich und Gleichberechtigung würde ich mir aber schon wünschen.

Findest Du, man kann in der Schweiz Familie und Beruf gut unter einen Hut bringen? 
Nein. Und das hängt für mich in erster Linie mit der nicht vorhandenen Gleichberechtigung von Vater und Mutter zusammen. Die Politik trägt dazu sicherlich bei. Aber ich finde es reicht nicht, auf die Veränderungen von Gesetzen zu warten und sich aus der Verantwortung zu nehmen.

 

Schlussendlich kann aber jede Familie sich jetzt schon für Gleichstellung einsetzen. Vor allem, indem Väter für ihr Recht einstehen, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und auch in diesem Bereich Verantwortung übernehmen.

 

Was fehlt? Was müsste Deiner Meinung nach anders sein?
Ich fände eine flexible Elternzeit sinnvoll und es wäre meiner Meinung nach auch richtig, nicht nur Betreuungseinrichtungen zu subventionieren, sondern auch für die häusliche Betreuung Zulagen auszuzahlen. Schlussendlich kann aber jede Familie sich jetzt schon für Gleichstellung einsetzen. Vor allem, indem Väter für ihr Recht einstehen, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und auch in diesem Bereich Verantwortung übernehmen. Denn ja, Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub sind unterschiedlich geregelt. Aber nach Ablauf von diesen so oder so zu kurzen Zeiten sind Vater und Mutter theoretisch gleichgestellt und es gäbe eigentlich keinen Grund, die Verantwortung für Familie und Arbeit dann nicht gleichberechtigt (gemäss den eigenen Bedürfnissen) aufzuteilen. Aber ich weiss auch sehr gut, wie schwierig die Umsetzung dieser Gleichstellung ist. Denn auch wir leben ein Familienmodell, das sehr stark der klassischen Rollenverteilung gleicht. Es geschieht so schnell, dass man in bestimmte Rollenmuster verfällt und das Gefühl hat, diese nicht ändern zu können. Möglich wäre es, aber wie alle ungewöhnlichen Wege auch sehr schwierig.

Wie löst Ihr die Betreuung der Kinder?
Mein Mann übernimmt 1.5 Tage die Betreuung unserer Tochter. Zwei halbe Tage besucht sie die KiTa und die restlichen 4.5 Tage bin ich für die Betreuung unserer Tochter zuständig.

Welcher Mutter möchtest Du das Wort übergeben und wieso?
Ich möchte das Wort an Annette Saloma weitergeben. Als alleinerziehende Mutter rockt sie das Leben mit ihren zwei Kindern auf beeindruckende Art und Weise und ist dabei wundervoll authentisch und reflektiert, aber auch genauso unkompliziert und flexibel. Manchmal frage ich mich, wie gross der Hut ist, unter den sie alles bringt. Denn Annette ist auch fantastisch in ihrem Job, berät unentgeltlich Mamas als Stillberaterin und setzt sich für Tiere und das Beenden ihrer Qualen ein.

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