Wir wussten über Meditation: dass es unser Leben bereichern kann, dass wir ruhiger werden, weniger oft unüberlegt reagieren und dass wir überhaupt gar keine Zeit haben, dies auch noch in unseren Alltag zu integrieren. Bis wir mit Lynne Goldberg, einem Meditations-Profi und Gründerin von «OMG! I can mediate», ein Interview geführt haben.
Lynne Goldberg ist Yoga-Instruktorin und zertifizierter Meditations-Coach, Gründerin von OMG! I can meditate und Autorin von «Get balanced. Get blissed».
OMG. I Can Meditate!
Tadah: Noch sind wir nicht so tiefenentspannt wie Du, aber wir hoffen fest, es am Ende dieses Interviews zu sein. Zumindest ansatzweise.
Früher wäre ich die letzte Person gewesen, von der andere oder ich selbst geglaubt hätten, dass sie meditieren würde. Meine Methoden mit Dingen umzugehen, waren: viel Arbeit, viel Wein. Dann kam jedoch eine Serie einschneidender Erlebnisse – die Fehlgeburt meiner Zwillings-Mädchen, den Tod meiner Mutter, die Scheidung, der Verlust meines Jobs, viele Jahre Fruchtbarkeitsbehandlung, gescheiterte Adoptionsversuche – es konnte irgendwie nicht mehr schlimmer kommen. Und ich musste mir eingestehen: So kann ich nicht glücklich werden. Also folgte ich einer Freundin widerwillig ins Yoga-Seminar.
Und voilà: Du fandest Deine innere Mitte?
Aus Skepsis wurde zuerst einmal Interesse an der Meditation. Stress und Angstzustände wurden langsam weniger. Und dann hatte ich irgendwann plötzlich Freude daran. Weil ich mich noch nie so ruhig fühlte. Und weil ich noch nie zuvor das Gefühl hatte, die Kontrolle über mein Leben zu haben.
Das mit der inneren Mitte, das kann man also tatsächlich lernen?
Ja. Kann man. Und mit «man» meine ich Personen aller Art. Denn ich habe so viele verschiedene Menschen gecoacht und ihnen etwas über die innere Mitte beibringen können: Promis, Athleten, CEOs, Grossmütter und Schulkinder. Oder eben auch Mütter. Viele, viele Mütter.
Apropos Mütter: Was ist denn Dein liebster Part am Muttersein?
Nicht per se das Meditieren. Ich finde es sehr spannend, die Erziehungsregeln meiner Eltern nun aus der Perspektive eines Erwachsenen zu sehen.
Wie würdest Du denn Deine Regeln, also Deinen Erziehungsstil beschreiben?
Ich würde sagen, mein Mann und ich haben so ziemlich denselben Erziehungsstil. Wir setzen einen klaren Rahmen bestehend aus Erwartungen und Grenzen. In diesem Rahmen bleibt viel Raum für Liebe und Verständnis – für uns selbst und für unsere Kinder.
Ich war in jungen Jahren derart mit mir selbst und meiner Karriere beschäftigt, dass ich nur den finanziellen Aufstieg vor Augen hatte.
Das klingt nach viel Harmonie. Und danach, Mutterschaft und Partnerschaft gut unter einen Hut zu bringen.
Balance ist wichtig. Zeit für uns selbst. Zeit als Paar und Zeit für die Kinder. Wir versuchen, einmal die Woche einen Abend als Paar einzuplanen. Da wir eine Patchwork-Familie sind, müssen wir auch die Balance zwischen seiner, meiner und unserer Familie finden.
Wie sieht denn ein typischer Tag im Hause Goldberg aus?
Ich beginne jeden Tag genau gleich – ganz egal, wo ich mich gerade befinde: Ich meditiere und ich mache Yoga. Meistens übrigens, bevor irgendeiner im Haus wach ist. Ich geniesse diese Zeit der Ruhe für mich selbst. Danach wecke ich meine Tochter auf und mache ihr das Frühstück, bevor sie zur Schule muss. Den Tag verbringe ich meist mit Schreiben, bevor ich mit Kunden arbeite und meine Tochter wieder nach Hause kommt.
Du arbeitest also ziemlich selbstbestimmt – ein wichtiger Faktor für Mütter, was den Job betrifft. Hat Dich das Muttersein beeinflusst, OMG! I can meditate zu gründen?
Der Lehrer meiner Tochter hat mich gefragt, ob ich ihm nicht Material geben könnte, um zu Hause das Meditieren zu üben. Damals habe ich bereits an Schulen unterrichtet, weil ich gemerkt habe, dass es wichtig ist, zu lernen, mit Stress umzugehen. Also fragte ich meinen Mann, der im Tech-Business daheim war, ob er mir bei der Erstellung einer App helfen könne. Das war eigentlich der Grundfpeiler von OMG! I can meditate. Der andere Grund ist und war, dass ich das Glück hatte, eine zweite Chance in meinem Leben zu erhalten. Ich war in jungen Jahren derart mit mir selbst und meiner Karriere beschäftigt, dass ich nur den finanziellen Aufstieg vor Augen hatte.
Du hast also Deine Einstellung zur Karriere geändert, als Du Mutter wurdest?
Finanziell war ich in meinem «ersten» Leben sehr erfolgreich, aber ich habe gemerkt, dass es mir schlicht keine Befriedigung brachte. Was mich glücklich machte, war, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Zeit zu haben, die Dinge zu tun, dich ich liebe und etwas Bedeutungsvolles zur Gesellschaft beizutragen.
Die Meditationen sind wie Buchdeckel für meinen Tag.
Muttersein und Karrierefrau – wie schaffst Du das?
Mein Leben ist wie ein Stück Kuchen. Es gibt ein Stück für die Arbeit, eines für die Familie, eines für Freunde und so weiter. Ich versuche, die Stücke möglichst ausgewogen zu halten. Sollte ein Stück zu gross werden, muss ich in diesem Bereich etwas reduzieren – ein Balance-Akt.
Praktisch, wenn man sich dann mit Meditation gleich selbst wieder ausbalancieren kann. Hast Du eine persönliche Meditations-Routine?
Ich meditiere jeden Tag. Manchmal sogar zweimal – morgens und abends. Die Meditationen sind wie Buchdeckel für meinen Tag.
Je mehr desto besser?
Der Vorteil regelmässigen Meditierens ist, dass es zur Routine wird und man sich darauf zu freuen beginnt, statt sich zwingen zu müssen. Der Rhythmus einer täglichen Meditation hilft zudem, Ruhe und Klarheit in den Alltag zu bringen.
Ach, das klingt alles fast zu schön. Noch mehr Vorteile und Anreize für uns Anfänger?
Einer der grössten Vorteile für mich persönlich ist, wie mir die tägliche Meditation bei der Kindererziehung hilft. Anstatt sofort gleich wütend zu werden, fällt es mir leichter, kurz inne zu halten und zu reflektieren. Ich stelle auch fest, dass ich Dinge aus anderen Perspektiven betrachten kann und nicht auf meinen Standpunkt versessen bin. Generell findet man die Vorteile der Meditation oft in dem, was eben bei regelmässiger Praxis nicht mehr so oft geschieht: Konflikte, Wutanfälle, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Stress, Kopfschmerzen. Viele Menschen sagen mir, dass ihre Mitmenschen die ersten sind, die eine Veränderung wahrnehmen – bevor sie es selbst tun.
Ein paar Tipps, um Meditation zur Gewohnheit zu machen?
Der beste Weg zu starten, ist seine eigene Motivation zu finden, warum man meditieren möchte. Und diese dann immer im Hinterkopf zu behalten. Zum Beispiel: Wenn du etwas mehr Ruhe ins Familienleben bringen wolltest, dann erinnere dich immer wieder daran – gerne auch mit einem Post-it, wenn‘s hilft. Oder man lädt die «OMG! I can meditate»-App herunter und setzt sich eine Erinnerungsfunktion. Dranbleiben ist das Motto! Wie gesagt: am allerbesten jeden Tag.
Welches ist die schönste Rückmeldung, die Du von Müttern erhalten hast?
So viele Mütter haben allein, mit ihren Kindern oder als ganze Familie mit unserer App zu meditieren begonnen. Es ist erfüllend zu wissen, dass nicht nur die Eltern besser schlafen, mit Stress umgehen können und einen gelasseneren Umgang mit ihren Kindern gefunden haben, sondern dass auch die Kinder davon profitieren.