Mit Kindern daheim ist es immer laut. Mit drei Kindern zuhause etwas mehr. Mit drei Sechsjährigen hingegen nimmt der Begriff «laut» eine ganz neue Dimension an. Drillingsmutter Corinne Widmer kann davon ein Lied singen. Und dies ebenfalls laut. Erstens weil sie es selbst ist und zweitens weil man sie sonst schlicht nicht hören würde.
Corinne Widmer arbeitet in einer Bank und ist Mutter von Drillingen. Sie wohnt mit ihren Töchtern Lili und Emma, ihrem Sohn Carlos (alle 6) und ihrem Mann Marco in Birmenstorf im Aargau.
Tadah: Eines Tages ist man schwanger. Man geht voller Vorfreude zum Arzt, hofft auf ein gesundes, schlagendes Herz und auf die Worte: Herzlichen Glückwunsch, Du erwartest ein Baby. Bei Dir hiess es dann aber: Herzlichen Glückwunsch, Du erwartest drei Babys. Ein Schock?
Ich hätte schon immer gerne Zwillinge gehabt. Nur einmal schwanger sein und trotzdem zwei Kinder haben: zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen quasi. Beim ersten Ultraschall war es dann genau so. Der Arzt sah zwei Herzlein schlagen, wir waren happy.
Hier sitzen aber drei Kinder?
Beim zweiten Ultraschall meinte mein Arzt plötzlich, dass er nochmals zählen müsse. Und so wurde aus mir keine werdende Zwillingsmama sondern eine werdende Drillingsmama. Ein Schock war es aber trotz allem nicht. Wir haben uns sehr über die Babys gefreut – und das obwohl mein Frauenarzt mir Angst gemacht hat.
Wieso das?
Eine Drillingsschwangerschaft ist immer eine Risikoschwangerschaft. Und er hatte damit wohl nicht viel Erfahrung. Er hat sofort von den Gefahren gesprochen und uns eine Reduktion vorgeschlagen. Das wäre für uns jedoch nie in Frage gekommen. Zum Glück hat er mich ans Unispital überwiesen – hier sind Drillinge zwar auch nicht Alltag, aber die Erfahrung ist viel grösser. Und so hat man uns dann wieder Mut gemacht, uns gesagt, dass schon alles gut komme und die Kinder ja gesund seien.
Wie war denn Deine Schwangerschaft?
Ich durfte relativ früh schon nicht mehr arbeiten, konnte aber zuhause bleiben. Es ging mir prinzipiell gut. Ab der 23. Woche musste ich vorsorglich ins Unispital - da war ich bereits so kugelrund wie eine Hochschwangere mit nur einem Kind.
Was macht man, wenn man liegen muss?
Ich bin sehr aktiv und vielleicht hätte vielleicht nicht so früh bereits liegen müssen, wenn ich nicht so viel gemacht hätte Anfangs der Schwangerschaft. Liegen zu müssen war immer meine absolute Horrorvorstellung. Und trotzdem kam es so. Meine Schwägerin, die diese Erfahrung ebenfalls schon gemacht hatte, hat es richtig gesagt: Du hast dir diese Kinder so lange gewünscht. Und jetzt sind es nur ein paar Wochen deines Lebens, in denen du dafür liegen musst. Daran habe ich immer gedacht.
Erzähl uns von der Geburt.
Ziel war es, dass die Kinder bis Minimum zur 32. Woche drin bleiben. Im Optimalfall wäre es die 34. Woche gewesen. Bei mir kam’s dann halt anders und das, obschon es mir bis zwei Tage vor der Geburt wirklich gut ging. Ich hatte nie Wehenhemmer, die Resultate der Untersuchungen waren immer top. Doch plötzlich – in der 29. Woche – war mir schlecht und ich hatte Beinschmerzen.
Frau Widmer nicht erschrecken, aber ihre Babys kommen heute zur Welt. Rufen sie doch bitte ihren Mann an.
Das sind aber nicht die typischen Geburtsanzeichen?
Genau. Deswegen habe ich auch keinen Gedanken daran verschwendet, dass dies Wehen sein könnten. Die Schmerzen wurden aber – trotz Physiotherapie – immer schlimmer. Also wurde ich zur Untersuchung in den Kreissaal gebracht, wo tatsächlich erste Wehentätigkeiten festgestellt wurden. Ich bekam Wehenhemmer und wurde zurück aufs Zimmer gebracht.
Das hat genützt?
Nein. Die Schmerzen wurden nicht weniger, also habe ich meine Vertrauenshebamme angerufen. Sie kam vorbei und hat mich dann nochmals in den Kreissaal begleitet. Die nächste Untersuchung war dann auch die letzte. Denn nun hiess es: Frau Widmer nicht erschrecken, aber ihre Babys kommen heute zur Welt. Rufen sie doch bitte ihren Mann an.
Das war dann aber noch nicht genug der Aufregung.
Nicht wirklich. Ich habe Marco angerufen und dieser machte sich auf den Weg ins Krankenhaus. Plötzlich kamen die Ärzte wieder zu mir und sagten mir, sie hätten ein Problem: Es seien zu wenig Brutkästen im Spital. Denn genau an diesem Tag war ein 700 Gramm schweres Baby eingeliefert worden, dass einen Brutkasten brauchte, der für eines meiner Kinder reserviert war.
Wir wurden mit der Rega nach St. Gallen geflogen. Und das inklusive meines Mannes, der unfassbare Flugangst hat.
Wie hast Du reagiert?
Ich habe nur noch geweint. Ich war aufgelöst, denn aus irgendeinem Grund dachte ich, dass ich nun nach Lausanne müsste. Ich sagte ihnen, dass ich doch nicht so gut französisch könne und dass ich nicht so weit fahren wolle. Man beruhigte mich und sagte mir, dass in St. Gallen alles bereit sei für uns.
Gottseidank. Aber wie kommt man denn nun mit Wehen von Zürich nach St. Gallen, wenn’s doch schnell gehen muss?
Mit dem Helikopter. Mit der Rega wurden wir nach St. Gallen geflogen. Und das inklusive meines Mannes, der unfassbare Flugangst hat.
Wie ging’s weiter?
Wir sind in St. Gallen angekommen, ich bekam eine Vollnarkose und die Kinder wurden auf die Welt geholt. Sie waren alle gesund, alle um die 1 kg schwer und 45 cm lang.
Sie waren dann bei Dir?
Nein. Ich konnte sie erst am zweiten Tag sehen, denn sie mussten in den Brutkasten ins Kinderspital.
War das schlimm für dich?
Sehr. Und auch nachher war es nicht schön. Denn ich war auf dieser Station, auf der alle Mütter mit ihren frischgeborenen Babys rumlaufen und meine Kinder befanden sich in einem anderen Spital. Nach zehn Tagen durfte ich nach Hause und bin dann jeden Tag nach St. Gallen gefahren. Man pendelt also zu seinen Kindern - zu Babys, die eigentlich zu dir gehören. Es war ein ganz anderer Start für uns als Familie, als ihn andere hatten.
Wie lange mussten die Babys denn in St. Gallen bleiben?
Nach sechs Wochen wurden sie nach Aarau verlegt, hier musste sie noch einmal fünf Wochen bleiben. Auch, weil sie noch eine Hirnhautentzündung haten. Alle zusammen kamen dann am 6.September. heim – der errechnete Geburtstermin wäre am 1. gewesen. Das hat also irgendwie dann trotzdem gepasst.
Jesses, wie macht man das dann Zuhause mit drei Säuglingen?
Zum Glück fiel das Stillen weg. Denn im Unispital haben sie mir davon abgeraten - ich hätte mit drei Kindern dann schon genug zu tun. Es wäre auch logistisch gar nicht möglich gewesen. Wann hätte ich sie denn stillen sollen oder meine Milch abpumpen? Beim Pendeln im Zug ins Spital nach St. Gallen? Ich war froh, dass wir uns für den Schoppen entschieden hatten. Denn so hatten sie, als sie nach Hause kamen, schon einen guten Rhythmus. Und so war die ganze Organisation dann auch viel einfacher.
Das ist aber trotzdem sehr viel Arbeit oder?
Ja, das war’s. Und trotzdem war es nie so streng wie jetzt – oder besser: es war weniger nervenaufreibend.
Ich kann dem einzelnen Kind nicht immer gerecht werden. Sie wollen zum Beispiel oft auf meinem Schoss sitzen. Aber das geht ja nicht mit nur zwei Beinen.
Wie hat du Leben als dreifach Mama vorgestellt und wie ist es wirklich?
Ich habe mir das Babyalter streng vorgestellt. Und wieder erwarten ging mir diese Zeit recht locker von der Hand. Jetzt hingegen begegne ich mehr Schwierigkeiten: Die Erziehung von drei Sechsjährigen gleichzeitig zu meistern, ist echt eine Herausforderung. Ich habe immer drei aufs Mal. Drei, die streiten. Drei, die Hunger haben. Drei, die Aufmerksamkeit wollen. Ich kann dem einzelnen Kind nicht immer gerecht werden. Sie wollen zum Beispiel oft auf meinem Schoss sitzen. Aber das geht ja nicht mit nur zwei Beinen.
Man hat also immer ein Bein oder eine Hand zu wenig?
Ja. Und das sogar zu zweit.
Gibt’s Zeiten, in denen Du nur mit einem Kind etwas unternimmst?
Das kommt immer mehr. Die ersten paar Jahre, war dies aber kaum möglich. Ich hatte immer alle drei dabei. Wirklich immer. Ich kann meine Kinder nicht abgeben, nicht weil ich dass nicht möchte, aber weil ich sie den meisten einfach nicht zumuten kann. Dieses Trio ist vielen einfach zuviel für all jene, die sich viele Kinder auf einen Haufen nicht gewohnt sind.
Die Mädchen sind eineiig. Wie fest ähneln sie sich tatsächlich?
Genetisch sind sie identisch, trotzdem sind sie sehr unterschiedlich. Aber sie lieben sich heiss und innig und sind wirklich beste Freundinnen. Sie stehen aber, gerade wenn es um Carlos geht, ein wenig im Konkurrenzkampf zueinander. Sie buhlen um seine Gunst. Und je nach dem wer gerade gewonnen hat, schliesst dann mit ihm zusammen, die jeweils dritte im Bunde aus.
Teilen sie Ihre Sachen?
Ja. Sie spielen sehr gerne miteinander. Sei es malen, basteln oder Rollenspiele. Aber klar, der Streit darf auch nie fehlen.
Verlierst Du nie die Geduld?
Doch, klar, ganz besonders am Abend. Aber die letzten zwei Jahre, also seit sie im Chindsgi sind, ist es besser geworden. Denn ich habe wieder zwei Vormittage, die ich nur für mich habe. Sie sind mein Heiligtum.
Ist es bei Euch daheim immer laut?
Ja.
Stört's Dich?
Nein, ich bin selbst laut. Andere stört's wohl eher, meinen Mann zum Beispiel. Denn er ist gar nicht so und er dreht in diesem Lärm hierdrin oft fast durch.
Was hat sich für Euch als Paar geändert?
Wir haben entdeckt, dass wir auch Streit haben können. Wir waren acht Jahre zusammen als ich schwanger wurde und haben uns nie gestritten. Wir lebten wirklich nach dem Motto: Leben und leben lassen. Heute dreht sich alles um die Kinder und das löst dann auch Stress aus, den man nicht so gut kanalisieren kann.
Habt Ihr noch Zeit füreinander?
Wenig. Wir nehmen uns hin und wieder heraus, dass wir gemeinsam essen gehen. Aber auch wenn die Kinder relativ früh und gerne schlafen gehen und wir eigentlich am Abend Zeit für uns hätten, sind wir oft einfach zu müde, um noch gross miteinander zu reden. Manchmal schreibe ich ihm dann Dinge, die ich ihm noch sagen wollte, per Email. Das ist eigentlich traurig. Aber jetzt haben wir ja dann Ferien und endlich wieder ganz viel Familienzeit. In der Hoffnung, dass wir bei unserer Lautstärke überhaupt das Meer rauschen hören.