Anja Knabenhans schreibt darüber, was ist. Der #malehrlich auf der Plattform Any Working Mom wird mit ihren wahrlich ehrlichen Artikeln mitgeprägt. Sie lässt die Hosen runter, wenn es um ihre Lieblingsthemen geht - und darum, was anders sein muss in Sachen Vereinbarkeit. Sie hat mit uns darüber gesprochen, wo sie jetzt steht, was sie beschäftigt und weshalb Menschen, die sagen, Vereinbarkeit sei bloss eine Frage der Organisation, des Teufels sind.

Anja Knabenhans lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Jungs in Affoltern. Sie ist Autorin, Journalistin und Content-Chefin.
dingdingding.ch
anyworkingmom.com
Tadah: Kommt Anja ins Bild, kommt immer viel Farbe, viel «Frühling». Ist Dein Kopftuch Dein Markenzeichen?
Irgendwie ist das Kopftuch zum Markenzeichen geworden, ungeplant. Es ist praktisch mit einer Kurzhaarfrisur – verstrubbelte Haare sind innert Sekunden gezähmt. Und Farben machen mich froh, drum komme ich öfters bunt daher. Das Kopftuch ist aber auch eine Art Verkleidung. Ich bin recht introvertiert und mit dem Kopftuch fühle ich mich stärker und geselliger – es ist wie eine Rolle, in die ich bei Bedarf schlüpfen kann.
Deine Firma heisst ding ding ding. Auch ein Eyecatcher. Wie kam's zu diesem Namen?
«ding ding ding» tönt es, wenn man in einem Quiz eine Frage richtig beantwortet. Und ich fand: Wer mich bucht, hat die richtige Wahl getroffen. Im Beruf bin ich eher unbescheiden.
Musstest Du auch in Deiner früheren Tätigkeit als Sportjournalistin in einer eher männerlastigen Domäne ab und an in Rollen schlüpfen?
Mit der Männerlastigkeit hatte ich wenig Mühe und im NZZ-Team selbst musste ich nicht gegen Vorurteile ankämpfen. Ausserhalb schon, da wurde ich öfter für eine Sekretärin gehalten oder wurde nicht ernstgenommen. Und natürlich gab es immer mal wieder Sprüche, Frauen würden nur in den Sportjournalismus, um sich Sportler zu angeln. Heute ärgere ich mich etwas darüber, habe ich da jeweils einfach gelächelt statt gekontert.
Kontern tust Du jetzt in Deiner Rolle als Content-Chefin bei Any Working Mom, oder?
Bei Any Working Mom schreibe und podcaste ich über Dinge, wofür ich brenne – Gleichstellung, Selbstbestimmtheit, Selbstbewusstheit usw. Ansonsten ist gemäss einem Charakterstärken-Test meine grösste Stärke die Neugier – und die lebe ich in ganz unterschiedlichen Themen aus. Ich liebe es, mich in etwas zu stürzen, bei dem ich mich noch nicht so auskenne.
Es gibt nicht DIE Any Working Mom. Jede darf ihren eigenen Weg definieren – das ist aber gar nicht so einfach.
Unsere Herzensangelegenheit, die bessere Vereinbarkeit, ist auch Eure. Ihr seid sehr erfolgreich mit Any Working Mom. Sprecht Ihr der «Any Working Mom» aus dem Herzen?
Ich denke schon. Wobei wir immer wieder betonen, dass es die Any Working Mom gar nicht gibt. Dass jede ihren eigenen Weg definieren darf – was oft ja gar nicht so einfach ist, weil rundherum so viel gesagt und geschrieben wird, was man so alles zu tun und zu lassen habe. Deswegen versuchen wir, verschiedene Perspektiven und Möglichkeiten abzubilden, möglichst wertungsfrei, damit jede sich irgendwo gesehen und angesprochen fühlt.
Ist es noch zeitgemäss, nur über die «Mom» zu sprechen, wenn es um Vereinbarkeit geht?
Definitiv nicht! Wir würden unsere Plattform heute anders nennen. Schön ist aber, dass sich bei uns auch Väter tummeln – und auch viele Menschen, die kinderfrei leben.
Bevor sich Strukturen oder ein ganzes System ändern können, muss ein Denkwandel geschehen.
Was ist Euer Ziel mit Eurer Plattform?
Wir möchten zeigen, was ist. Und was anders sein kann. Denn bevor sich Strukturen oder ein ganzes System ändern können, muss ein Denkwandel geschehen. Für diesen Change of Mind engagieren wir uns. Dass wir alle frei von Verurteilungen (eigenen oder fremden) die eigene Rolle selber bestimmen und leben dürfen.
Wie seid Ihr denn bei Any Working Mom überhaupt aufgestellt?
Wir sind drei Besitzerinnen: Andrea Jansen, Rebecca Krausse und ich. Dazu haben wir ein grandioses Team, das mit uns am selben Strick zieht. Die meisten arbeiten in sehr kleinem Pensum.
Ihr schreibt wunderbare Artikel, die uns allen aus dem Herzen sprechen. Welcher Artikel wurde am meisten geklickt?
Am meisten Aufrufe hat der Text «Was tun in Zürich mit Kindern bei Regen? Tipps aus erster Hand» – dicht gefolgt von «Fliegen mit Baby und Kleinkind – all you need to know». Das sind klassische Service-Artikel, die sehr vielen Eltern weiterhelfen.
Danke dafür. Die haben wir beide auch bereits mehrmals angeklickt. Und welcher Beitrag hatte am meisten Kommentare?
Der meistkommentierte Text ist: «Mein Mann will kein zweites Kind. Und ich zerbreche daran» – dieses Thema beschäftigt offenbar viele sehr und es gibt dort halt keine wirkliche Lösung.









Ihr habt eine grosse Community, die auch sehr aktiv kommentiert. Wie gehst Du mit negativen Kommentaren um?
Ich kann damit recht gut umgehen, da hilft mir sicherlich die lange Erfahrung als Journalistin bei der NZZ. Fiese Kommentare nagen zwar an einem, aber ich weiss auch, dass das dumpfe Gefühl irgendwann wieder vorbeigeht. Ich muss aber auch sagen, dass unsere Community grösstenteils sehr fair ist und Kritik anständig äussert.
Du bringst auch sehr viel Persönliches rein. Du schriebst sogar einmal darüber, dass das Schwangerwerden nicht so einfach war bei Dir.
Ich hatte eine massive Endometriose, die auch Blase, Darm und Eileiter beeinträchtigt hat. Eigentlich hätte ich ständig grosse Schmerzen haben müssen, aber das war bei mir zum Glück nicht der Fall. Viele Endometriose-Patientinnen haben ja bis zur Diagnose einen langen Leidensweg hinter sich.
Die Entzündungsherde machten aber ein natürliches Schwangerwerden unmöglich – und auch nach der Operation hiess es, meine Chancen seien nicht so gross.
Weil wir nicht wussten, wie rasch die Endometriose nach der OP zurückkehrt, war klar: möglichst rasch schwanger werden und nicht monatelang rumprobieren. Also habe ich die Eireifung mit Medikamenten unterstützt und den Eisprung mittels Spritze ausgelöst – und dann getimter Sex. Bei meinem ersten Sohn klappte es etwa beim dritten Versuch. Beim zweiten Kind nach ungefähr sechs Monaten.



Als Anja nur Anja war, noch nicht Mutter, wie war sie da?
Da nannte mich ein Journalist mal Rambazanja – weil ich gern im Ausgang war. Diesbezüglich bin ich gezwungenermassen ruhiger geworden. Aber sonst denke ich, ist vieles gleich geblieben.
Punkto Hausarbeit sind wir ziemlich gleichwertig, das hat sich in 20 Beziehungsjahren gut eingependelt. Wir tragen auch gleichviel zum Familien-Einkommen bei.
Und jetzt, wo die zwei Buben dazukamen: Wie bestreitet Ihr jetzt Euren Alltag als Familie?
Ich arbeite durchschnittlich ungefähr 60 Prozent, wobei ich zwei Arbeitstage habe und den Rest jeweils an Abenden erledige. Mein Mann arbeitet momentan 100%, kann aber recht flexibel agieren. Bei seinem vorherigen Arbeitgeber hatte er ein 90%-Pensum, hat aber 100% gearbeitet und dafür 10 Wochen Ferien bezogen. Das wäre wieder das Ziel – das gab uns viel Familienzeit und auch eine Flexibilität, wenn ich grad ein grösseres Projekt hatte und er spontan einige Tage Betreuung übernahm.
Punkto Hausarbeit sind wir ziemlich gleichwertig, das hat sich in 20 Beziehungsjahren gut eingependelt. Wir tragen auch gleichviel zum Familien-Einkommen bei. Ich übernehme zwar mehr Care-Arbeit, sehe meine Kindertage aber mehrheitlich als Freizeit – ich fuhrwerke dann nicht ständig im Haus rum, sondern mache was mit den Kindern und lasse die Hausarbeit liegen.
Findest Du, Familie ist in der Schweiz Familiensache?
Das wäre es – wenn die Bedingungen so aussähen, dass Familien ohne Systemzwänge ihr Leben gestalten könnten. Solange aber noch ein patriarchales System vorherrscht, dass unter anderem Teilzeitverdienende betraft und Care-Arbeit abwertet, müssen Familienthemen öffentlich diskutiert werden.
Wir brauchen eine Elternzeit, damit nicht gleich zu Beginn der Elternschaft eine klassische Rollenaufteilung zementiert wird.
Wo würdest Du denn den Hebel für eine bessere Vereinbarkeit in der Schweiz ansetzen?
Phu, da gäbe es so viele Möglichkeiten… Mehr Jobsharing und auch Topsharing, damit man Karriere und Kinder tatsächlich vereinen kann. Individualbesteuerung und bezahlbare Kinderbetreuung, damit es sich sich für die zweitverdienende Person überhaupt rechnet, wenn sie erwerbstätig ist. Und eine Elternzeit, damit nicht gleich zu Beginn der Elternschaft eine klassische Rollenaufteilung zementiert wird.




Musstest Du schon mal die Reissleine ziehen?
Ich habe die Reissleine gezogen, als mein älterer Sohn ca. fünf Monate alt war. Ich bin zurück in den Job und habe rasch gemerkt, dass das nicht mehr geht bei der NZZ. Dort hatte ich viele Abenddienste und das ging nun nicht mehr. Einerseits war ich abends kaputt nach einem ganzen Tag mit dem Baby – mein müdes Hirn hatte Mühe, wieder so zackig zu schreiben und zu redigieren wie zuvor. Und andrerseits kam mein Mann von der Arbeit heim und hätte dann den Abend mit einem müden und schreienden Baby verbringen müssen. Das war für alle drei zu belastend. Also wechselte ich in die Selbständigkeit – die beste Wahl.
Es macht mich wütend, wenn Leute behaupten, Vereinbarkeit sei nur eine Frage der Organisation.
Du warst an der Frauensession in Bern. Eine grosse Sache. Was konntest Du dort bewirken?
Das war ein tolles Erlebnis. Die Solidarität untereinander hat so viel Energie und Motivation freigesetzt. In meiner Kommission haben wir uns für die Gendermedizin eingesetzt – damit z.B. medizinische Studien nicht mehrheitlich an männlichen Personen durchgeführt werden. Und für eine bessere Sexualerziehung in der Schulzeit – weil Selbstbestimmung nur möglich ist, wenn man sich selbstermächtigt und gut informiert fühlt.
Mal ehrlich ist der Slogan von Any Working Mom. Mal ehrlich, liebe Anja: Ihr macht einen phänomenalen Job. Bist Du manchmal stolz drauf? Auf Euch?
Ja. Wir haben einen Slack-Channel, wo wir schönes Feedback aus der Community, von Freund*innen oder Kooperationspartnern teilen. Wenn ich das lese, bin ich stolz auf uns. Weil ich spüre, dass wir in den Leuten etwas bewegen können. Ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind.
Wo stehst Du in fünf Jahren?
Wieder ausgeruhter – denn dann sind die Kinder grösser und schlafen wohl besser. Beruflich habe ich keine Ahnung, ich lasse mich da sehr vom Lustprinzip leiten. Ich hoffe, ich habe dann eines der Bücher verfasst, die schon seit Ewigkeiten als Manuskript in meiner Schublade liegen.
In Bezug auf meine Selbständigkeit wünsche ich mir, dass ich meine Tätigkeit so weiterführen und dazu spannende neue Projekte anpacken kann.
Und wo in 10 Jahren?
Wieder übermüdet – weil ich dann Mutter von Teenagern bin und vermutlich wach bleibe, bis die vom Ausgang heimkommen.

