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Nadja Liechti: Das schönste Weihnachtsgeschenk.

Nadja Liechti und ihr Mann Michi kennen und lieben sich seit bald zwanzig Jahren. Gemeinsam wollten sie eine Familie gründen - Nadja wurde nicht schwanger. Gemeinsam haben sie entschieden, den Weg der Adoption zu gehen. Und gemeinsam wurden sie am 23. Dezember vor zwei Jahren Eltern. Über ihren Weg und ihr schönstes Weihnachtsgeschenk erzählt Nadja im grossen Tadah-Interview. Samt Update, was sich seither verändert hat.

Bilder von Julia Bochanneck 

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Nadja Liechti ist selbstständige Coiffeuse und führt ihr eigenes Geschäft. Gemeinsam mit ihrem Mann Michi und ihrem Sohn Billie (2) wohnt sie in Berikon AG.
erdbeerblond.ch

Auch wenn unsere Geschichten unterschiedlich sind, haben sie oft Gemeinsamkeiten. Wir machen eine Ausbildung, arbeiten, lernen Menschen kennen, irgendwann DEN Menschen, verlieben uns, werden ein Paar, ziehen zusammen. Und irgendwann überlegen wir uns, Kinder zu haben. Und bekommen sie.
Oder eben nicht. Denn genau so war es bei uns. Der Weg zu unserem Kind war ein schwieriger. Einer mit Ups and Downs. Und ein sehr emotionaler.

Wieso?
Ich wurde nicht schwanger. Medizinisch ist bei mir und bei meinem Mann alles in Ordnung, das heisst wir können rein theoretisch Kinder zeugen – und trotzdem hat es einfach nicht geklappt.

Wie schwierig ist es, mit einer solchen Situation umzugehen?
Es ist nicht einfach. Aber das Verrückte ist eigentlich, dass ich nie Kinder wollte. Und ich vor allem nie schwanger sein wollte. Das war für mich irgendwie klar. Ich habe meinen Mann mit 25 kennengelernt. Sechs Jahre später habe ich dann plötzlich doch dieses Bedürfnis nach einem Kind verspürt und wir haben versucht, schwanger zu werden. Besser: Wir haben alles versucht, schwanger zu werden.

Ihr seid also auch den Weg der künstlichen Befruchtung gegangen?
Ja. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich einfach nicht der Typ dafür bin. Ich bin nicht genügend diszipliniert, mir selbst diese Hormone zu spritzen, all diese Termine einzuhalten – auch mit meinem Job war das nicht möglich. Es hat sich zudem einfach nicht richtig angefühlt, es war mir alles so fremd. Wir haben das dann also aufgegeben.

Aber der Kinderwunsch blieb.
Ja, der war immer noch da. Und ich habe angefangen nachzudenken. Im Leben kommt es manchmal eben so, wie es kommen muss – davon bin ich überzeugt. Ich bin mir bewusst geworden, dass ich ein Mensch bin, der jedes Kind lieben kann. Unabhängig davon, ob es meins ist oder nicht. Ich habe also mit meinem Mann gesprochen und ihm diese eine Frage gestellt.

Welche?
Warum nicht adoptieren?

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Wie war seine Antwort?
Wir haben lange darüber gesprochen, uns darüber informiert, denn das ist schliesslich keine Entscheidung, die du einfach so triffst. Wir haben dann entschieden, dass es ein für uns gangbarer Weg sein könnte. Wenn es also auf natürlichem Weg nicht klappen sollte, wollten wir adoptieren.

Wie ging es weiter?
Auf dem Weg zur Adoption musst du durch sehr viel durch. Wir mussten uns immer wieder reflektieren: als Paar und als Eltern. Mussten uns immer wieder im Klaren darüber werden, ob wir das wirklich wollen. Der Weg ist sehr lang, aber das ist auch richtig und wichtig so. Denn es zeigt dir auf, ob du wirklich dafür gemacht bist.

 

Adoptieren ist keine leichte Sache. Keine Entscheidung, die man zwischen Tür und Angel trifft.

 

Was beinhaltet denn dieser Weg?
Du lässt die Hosen runter. Aber unser Vorteil ist wohl, dass wir sehr, sehr offen sind. Wir haben keine Hemmungen – gegenüber nichts und niemandem. Die Ämter haben uns insgesamt 16 Stunden verhört, wir mussten zum Psychologen, mussten unser Beziehungsmuster erklären.

Empfindet man dieses Prozedere denn nicht als ungerecht? Im Sinne von: Es gibt Leute, die werden einfach so schwanger und ich, die mir so viel überlegt, die sich ihrer Entscheidung so bewusst ist, muss durch all diese Verhöre durch.
Im Gegenteil. Adoptieren ist keine leichte Sache. Keine Entscheidung, die man zwischen Tür und Angel trifft. Man muss sich bewusst werden, was man da eingeht. Es ist ein Kind, das sein ganzes Leben lang zwei Mamis und zwei Papis haben wird.

Kannst Du das ausführen?
Für Billie gibt es sein Bauchmami und es gibt mich. Seine Geschichte ist eine andere, wie diejenige eines Kindes, welches von Eltern gezeugt und dann aufgezogen wird. Und man muss irgendwann teilen können – wenn der Wunsch vom Kind aus her kommt, sein Bauchmami kennenzulernen. Der ganze Prozess ist also sehr wichtig, damit man sich bewusst wird, ob man sich diesen Situationen stellen will und kann, ob man dafür gemacht ist.

Wird man auf eine unterstützende Art kontrolliert?
Sehr. Wir haben wirklich tolle Erfahrungen gemacht. Die Leute auf der Adoptionsstelle sind Menschen, die ihren Job aus Leidenschaft machen, die mit ganzem Herzen dabei sind. Und es geht ihnen nie um die Eltern, es geht einzig und allein nur um das Kind und sein Wohl. Es gibt nichts Wichtigeres. Diese Kinder sind zarte Geschöpfe, die in sehr jungen Jahren mit einem Verlust umgehen mussten. In ihrem Unterbewusstsein bleibt dieser irgendwo haften. Es gilt, mit aller Kraft zu verhindern, dass ein solches Kind einen zweiten Verlust erleiden muss.

Trotz all des Verständnisses: Wird man nicht irgendwann ungeduldig?
Klar, manchmal denkst du dir, dass es schneller gehen könnte. Und du sagst dir, dass du ihnen jetzt wirklich alles über dich und dein Paarleben gesagt hast. Aber wir sind da eigentlich immer positiv aus all den Sitzungen raus und haben das als Paar sehr gut gemeistert.

 

Diese Zeit der Vorbereitung ist extrem wichtig. Denn stell dir mal vor, wenn es klappt – dann bist du Eltern. Von einem Tag auf den anderen.

 

Habt Ihr näher zueinander gefunden?
Ja. Und wir wurden uns im Bezug auf diese Adoption einfach ganz klar, dass wir das unbedingt so wollen. Ganz ehrlich: Diese Zeit der Vorbereitung ist extrem wichtig. Denn stell dir mal vor, wenn es klappt – dann bist du Eltern. Von einem Tag auf den anderen.

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War für Euch von Anfang an klar, dass Ihr ein Kind aus der Schweiz adoptieren wollt?
Nein, wir hatten uns erst für eine Auslandsadoption entschieden. Denn währenddessen ich mich informierte, habe ich herausgefunden, dass es sehr schwierig ist – wenn nicht gar unmöglich – in der Schweiz zu adoptieren. Ich war 37 und mir war klar, dass wenn wir jetzt noch zehn Jahre auf ein Kind warten müssen, dann wäre es das gewesen.

Woher wolltet Ihr also adoptieren?
Wir hatten uns für Äthiopien entschieden. Wir sind also da hingeflogen, sind rumgereist, haben ein Kinderheim besucht und durften gar bei einer Adoption dabei sein. Wir hatten alle Papiere schon bereit – und dann wurden die politischen Tore wegen den Haager Übereinkommen geschlossen – und es ging nicht mehr. (Anmerkung der Redaktion: Das Haager Übereinkommen regelt internationale Adoptionen. Mit dem Abkommen sollen Kinder vor unrechtmässigen Adoptionen und internationalem Kindshandel geschützt werden. Ein Grundsatz des Haager Abkommens ist es, dass Behörden für ein Kind immer erst eine Betreuungslösung im eigenen Land suchen müssen.)

Ihr habt Euch dann trotz der möglichen langen Wartezeiten für eine Schweizer Adoption entschieden. Wie ging es weiter?
Wir haben also angefangen, uns in diesen Prozess zu geben. Mussten beschreiben, warum wir das wollen, wer wir sind, wie wir sind. Unsere Freunde mussten Berichte über uns schreiben und einschätzen, ob wir fähig sind, so etwas zu stemmen.

Was spricht für Dich für eine Schweizer Adoption, was für eine Ausländische?
Im Nachhinein bin ich froh, dass es so gekommen ist. Denn ich wäre mir nie ganz sicher gewesen, ob diese Mutter, die ihr Kind in Äthiopien wegegeben hat, dies wirklich so gewollt hat. In solch armen Ländern sind Frauen oft in krassen Situationen, aus denen heraus sie sich für eine Adoption entscheiden. Und wenn ich mir vorgestellt hätte, dass irgendwo eine Mama sitzt, die um ihr Kind weint, dass sie nicht mehr bei sich hat … diese Vorstellung wäre für mich ganz schlimm gewesen.

 

All diese Geschichten, dass du Haar- und Augenfarbe auswählen kannst, sind nicht wahr. Du kannst auch nicht sagen, ob es ein Mädchen oder ein Junge sein soll.

 

Ihr wart also dann in diesem Verfahren. Darf man da Wünsche anbringen?
All diese Geschichten, dass du Haar- und Augenfarbe auswählen kannst, sind nicht wahr. Du kannst auch nicht sagen, ob es ein Mädchen oder ein Junge sein soll – zumindest in der Schweiz nicht. Die einzige Wahl, die du treffen kannst, respektive die einzige Frage, die du beantworten musst, ist die, ob du auch ein Kind mit einer körperlichen Behinderung adoptieren würdest. Für uns war klar, dass wir eine leichte Behinderung managen können, eine schwere aber nicht. Hierzulande werden solche Kinder aber eigentlich sowieso nur in Familien gegeben, die einen Background haben, der ihnen das nötige Rüstzeug mit auf den Weg gibt, sich einer solchen Situation zu stellen.

Wie alt sind denn die Kinder, die man adoptiert?
In der Schweiz sind es meist Kinder ab Geburt. Geregelt wird alles über die Vermittlungsstelle PACH, Pflege- und Adoptivkinder Schweiz. Für uns war das diejenige in Zürich. Die Gesetze für eine Adoption sind in der Schweiz aber überall gleich.

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Ihr habt dann all diese Fragen beantwortet und es wurde evaluiert, dass ihr fähig seid, ein Kind zu adoptieren. Trotzdem bekommt man das dann ja nicht einfach so und vor allem nicht schnell, oder?
Die Wartezeit ist lang – das war sie auch bei uns. Aber wir haben genau diesen Weg gehen müssen, genau so war es gut für uns. Ich musste 40 werden, um bereit zu sein. Auch geschäftlich war es genau zur richtigen Zeit. Ich hatte mein grosses Ladenlokal zu Gunsten eines kleineren aufgegeben – und dann kam dieser Anruf.

 

Und dann sagt mir diese Frau am Telefon: Nadja, ich habe erfreuliche Nachrichten. Du wirst Mami von einem gesunden Jungen.

 

Der Anruf, dass Du Mutter wirst. Kann Du diesen Moment schildern?
Das kann man nicht beschreiben. Meine beste Freundin war gerade bei mir zum Coiffeur-Termin. Ich hatte ihr die Farbe aufgetragen, als das Telefon klingelte. Ich bin nach hinten und habe diese 043er-Nummer gesehen. In der Regel telefoniere ich nie, wenn eine Kundin da ist – an diesem Tag war es anders. Und dann sagt mir diese Frau am Telefon: Nadja, ich habe erfreuliche Nachrichten. Du wirst Mami von einem gesunden Jungen.

Wie hast Du reagiert?
Ich habe ihr nur gesagt, dass ich jetzt aufhängen müsse, weil ich rausrennen, schreien und meinen Mann anrufen wolle. Ich habe also bei ihm im Büro angerufen – was ich sonst nie tue. Seine Mitarbeiterin nahm ab und sagte mir, dass ich ihn nicht sprechen könne, weil er in einer grossen Sitzung sei. Ich habe ihr gesagt, dass mir das egal sei, dass ich jetzt mit Michi sprechen müsse. Als ich ihn am Telefon hatte, habe ich ihm nur gesagt: Michi, wir werden Eltern. Du wirst Vater. Er wollte mir erst nicht glauben. Er hat sich dann ins Auto gesetzt und ist heimgefahren – weinend. Es war einfach nur crazy.

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Wann habt Ihr Euer Baby dann zum ersten Mal gesehen?
Wir haben per Email ein Foto von unserem Sohn erhalten. Das war so schräg. Du hast dieses Mail und du weisst: Wenn ich das aufklicke, weiss ich, wie mein Kind aussieht. Dann war da Klein-Billie. Aber er war nur ein Blatt Papier. Es war für mich ein sehr starres Bild. Ein herziges Baby, aber es war noch keine Verbindung da. Ich musste es anfassen. Man hat mir aber auch gesagt, dass ich nicht traurig sein dürfe, wenn ich dann eine Zeit lang brauche, bis ich im Mami-Dasein angekommen sei. Es gibt nämlich auch Frauen, die einen Baby-Blues haben bei einer Adoption. Ich habe mit allem gerechnet. Ich dachte, vielleicht weint er auch permanent, wenn er mich sieht.

Und wie war’s?
Ganz anders. Alles war gut. Von Anfang an, war es einfach nur richtig.

Wie alt war Billie da?
Sieben Monate. Es ist so, dass das Bauchmami im Spital gebärt, dann darf sie ihr Baby noch einmal sehen und dann kommt dieses zu einem Übergangsmami bis es zu seiner Adoptionsfamilie kommt. Billies Übergangsmami hat ihm den Rhythmus gegeben, bei ihr war er die ersten Wochen. Sie hat ihn zu sich genommen, wie sie es mit ganz vielen Kindern zuvor schon getan hat. Sie hat ein Herz aus Gold.

 

Irgendwann habe ich also begriffen: Nadja, alles easy. Diese Frau will einfach nur das Beste für dich und für dein Kind. Wie schön ist es, so eine Person zu haben.

 

Aber das heisst, es geht eine ganze Weile, bis die Kinder wirklich platziert sind.
Jein. Nachdem ich das Telefon bekommen hatte, ging es einen Monat bis Billie bei uns war. Wir haben ihn in dieser Zeit alle drei Tage gesehen. Das Übergangsmami und ihr Mann kamen zu uns, wir gingen zu ihnen. Sie hat mir alles erklärt. Sie war pingelig genau mit den Mahlzeiten und dem Wickeln, alles musste akkurat zur gleichen Zeit gemacht werden. Sie hat mir gezeigt, wie man mit einem Baby einkaufen geht – sie hat mir also wirklich buchstäblich alles gezeigt. Dieser Monat war für mich nicht immer ganz einfach.

Wieso?
Ich habe mir ab und zu gedacht: Gopf, wann habe ich es geschafft. Ich will Billie bei mir haben. Ich wusste aber auch, dass er immer einen Bezug zu ihr haben wird. Ich will, dass wir sie besuchen können, dass Billie erfährt, wer sie ist und was sie für ihn getan hat. Sie ist ein Teil von seinen Menschen. Irgendwann habe ich also begriffen: Nadja, alles easy. Diese Frau will einfach nur das Beste für dich und für dein Kind. Wie schön ist es, so eine Person zu haben.

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Und dann kam DER Tag.
Genau, dann kam der Tag, an dem Billie blieb: es war der 23. Dezember. Ein Weihnachtsgeschenk – das allerschönste und beste, was ich je bekommen haben. Wir haben diesen letzten Tag gemeinsam gefeiert. Das Übergangsmami hat geweint, ich habe geweint. Für sie war es Abschied, für uns ein neuer Anfang.

Wie waren die Reaktionen von aussen?
Ich war nie schwanger und dann hatte ich plötzlich ein Baby – ich war selbst auch nervös, wie die Leute reagieren würden. Zudem kennt man mich im Dorf, denn ich hatte ja hier meinen Coiffeur-Salon. Und es ist für jemanden, der sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt hat, etwas Exotisches. Ich hatte aber nur einmal eine negative Reaktion, respektive eine Begegnung, die mir dann zu persönlich wurde. Das Wichtigste ist, dass ich mich nicht für meine Liebe rechtfertigen muss. Und ich antworte auf Fragen, wenn ich Lust habe und wenn nicht, dann eben nicht. Ich muss nicht perfekt sein – nicht perfekter als ein Mami, das auf natürlichem Weg schwanger geworden ist.

Hat man die Tendenz, besser sein zu wollen oder zu müssen?
Der Mensch neigt dazu, ja. Der Gedanke war da. Und ich habe gemerkt, dass ich dazu tendieren könnte. Aber nein, auch ich darf sagen, dass mein Tag nicht gut war. Auch mein Kind darf mich nerven. Weil eben: es ist mein Kind. Darum geht es. Um diese Natürlichkeit.

Weiss Billie, dass er adoptiert wurde?
Ja. Ich will, dass wir – auch gegen aussen – alles richtig erzählen. Wenn er dann beginnt seine Geschichte zu erzählen, werden wir uns zurücknehmen. Er darf selbst entscheiden, als was er uns dann bezeichnet. Mir ist wichtig, dass er weiss, woher er kommt.

War es für Euch von Anfang an klar, dass Ihr so offen mit diesem Thema umgehen wollt?
Ja, das war uns immer schon wichtig. Die Herkunft ist wichtig. Und ich will und kann nicht lügen. Das heisst nicht, dass wir es rausschreien. Denn in vielen Situationen tut es auch gar nichts zur Sache.

Wie erzählt Ihr ihm woher er kommt?
Wir haben ein Köfferli mit Föteli vom Spital, die ersten Finkli, die ersten Fotos. Dann sitzen wir mit ihm hin und erzählen ihm seine Geschichte. Es gibt so viele verschiedenen Arten von Familienmodellen. Es gibt Kinder, die haben keinen Vater, es gibt welche die haben zwei, Billie hat jetzt halt ein Bauchmami und mich – so ist das für ihn ganz normal. Ich möchte ihn aber sensibilisieren.

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Habt Ihr denn Kontakt zu seinem Bauchmami?
Die offene Adoption in der Schweiz gibt es nicht. Das wird diskutiert, aber es ist eine grosse Challenge.

Das heisst, es ist immer so, dass man keinen Kontakt hat?
Rein von der Gesetzgebung her ist es so, dass du einmal einen Zettel in der Hand hältst, auf dem der Name der Eltern steht. Und klar bist du neugierig, wer das ist. Und ja, auch wir haben kurz angefangen zu recherchieren. Das Gute ist, dass man über sie wirklich rein gar nichts rausfindet. Michi hätte das nicht mal interessiert – typisch Mann halt. Aber ich war gwundrig, natürlich. Alles andere wäre gelogen. Aber es ist gut, dass wir nichts gefunden haben.

 

Dein Bauchmami wollte das Beste für dich und wir hatten das riesige Glück, dass wir dir das bieten konnten.

 

Was, wenn er eines Tages wissen will, wer sein Bauchmami ist?
Es ist ganz unterschiedlich, wann Kinder wissen wollen, wer ihr Bauchmami ist. Die einen wollen es früh wissen, die anderen dann, wenn sie selbst Kinder haben, wieder andere gar nie. Sobald es für ihn ein Thema wird, müssen wir aktiv werden. Das heisst, dann werden wir uns über die Adoptionsvermittlungsstelle auch Hilfe holen. Denn das ist ja schon nicht nur einfach.

Vor allem weil auch die Frage kommen wird: Wieso wollte mich mein Bauchmami nicht?
Das ist keine schwierige Frage, denn es gibt darauf nur eine Antwort.

Die da wäre?
Weil sie dich geliebt hat. Dein Bauchmami wollte das Beste für dich und wir hatten das riesige Glück, dass wir dir das bieten konnten.

Was würdest Du Billies Bauchmami sagen, wenn Du sie sehen würdest?
Ich würde Ihr einfach nur Danke sagen wollen.

Betreuungssituation:
Nadja arbeitet zwei Tage. Billie ist einen Tag bei seinen Grosseltern und einen Tag in der Krippe.

Das war vor 2 Jahren. Wie geht es Dir, Michi und Billie jetzt?
Etliches hat sich verändert! Familientechnisch haben wir im Grunde alle Drei noch die gleiche Basis wie am Anfang: Wir alle haben uns lieb und wir versuchen die Bedürfnisse des anderen zu verstehen und diesen auch Platz zu lassen. Wir sind in der glücklichen Situation, dass unsere besten Freunde Kinder im gleichen Alter haben und dass diese wiederum die besten Freunde von Billie sind und wir viel Zeit miteinander verbringen dürfen. Heute ist Billie vier Jahre alt. Er hat alles Herzerwärmende eines vierjährigen Kindes, aber natürlich auch die Macken und Tücken. Er kennt seine eigene spezielle Geschichte und wir sind immer für ihn da um ihm Hilfe anzubieten, Fragen zu beantworten oder um ihm einfach Liebe zu schenken.