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Tadah

Raquel Neubig: Mutig in die Selbstständigkeit.

Raquel Neubig wagt mit young  and brave den Sprung ins Onlinegeschäft. Und sie ist überzeugt, dass es für einen weiteren Shop Platz hat - trotz oder vielleicht auch gerade wegen des Überangebots. Denn Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Und Mütter auch.

Bilder von Maik Kanyanga.

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Raquel Neubig ist Gründerin und Inhaberin von young and brave, einem Webshop für Bekleidung und Deko für Babys, Kinder und Mamas. Die Brasilianerin lebt mit ihrem Mann Marco und ihren Kindern Bruno (4) und Lia (1,5) in Zürich. young and brave

TadahDu stammst aus Brasilien, bist verheiratet mit einem Deutschen, wohnst in der Schweiz und hast einen Onlineshop mit Produkten aus der ganzen Welt. Ganz schön international.
Genau. Ich habe Marco vor 13 Jahren in Brasilien kennengelernt. Wir haben erst da zusammen gelebt, sind dann nach Deutschland gezogen und dann wegen einem Jobangebot nach Zürich. Aber mir ist es prinzipiell egal, wo ich bin. Denn Heimat ist immer da, wo meine Familie ist. Zudem: Mit dem Internet ist die Welt ja eh klein geworden.

Vermisst Du Brasilien trotzdem?
Ja, klar. Aber die beiden Länder sind nicht vergleichbar. Ich mag es sehr, hier zu leben. Vor allem mit den Kindern ist es perfekt. Hier fühle ich mich sicher – ich kann die Kinder draussen spielen lassen, ohne Angst zu haben. In Brasilien ist das anders. Man kann auch da sehr gut leben, aber man muss wissen wie und immer achtsam sein. Meine Familie ist in Brasilien und ich vermisse sie sehr. Aber ich bin sehr glücklich hier.

 

Ein grosser Unterschied zu Brasilien ist in der Schweiz das Familiengefüge. Mir fehlt das natürlich noch mehr, weil ich hier gar keine Familie habe.

 

Welches ist der der grösste Unterschied zwischen Brasilien und der Schweiz?
Das gibt es einige. Die Ernährung ist sicherlich ein grosser. Eine gesunde Ernährung hat hier einen hohen Stellenwert – zum Glück. Vor allem was den Zucker anbelangt. Das war eine krasse Umstellung. In Brasilien hat alles Zucker drin und man tut überall Zucker rein. Ein weiterer grosser Unterschied ist das Familien­gefüge. Mir fehlt das natürlich noch mehr, weil ich hier gar keine Verwandschaft habe. In Brasilien bist du nie alleine. Du hast immer jemanden dabei, um auf die Kinder aufzupassen. Die Oma, eine Tante oder eine Cousine - man hat viel Hilfe. Die Leute hier handhaben das anders. Ich sehe das auch bei meinen Freunden, die hier zwar Verwandschaft haben, aber viel selbstständiger sind. Sie haben ihre eigene kleine Familie und lassen den Rest nicht so daran nicht so teilhaben, wie das in Brasilien der Fall ist.

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Sind das Werte, die Du Deinen Kindern mit auf den Weg geben willst?
Unbedingt. Diese Familiennähe sollen sie spüren und dann irgendwann auch weitergeben. Ich will übrigens nicht sagen, dass es hier nicht gut ist. Ich bin einfach in einer anderen Kultur aufgewachsen. Das sehe ich auch ganz krass im Umgang der Leute mit Bruno und seinem Down-Syndrom.

 

In Brasilien nimmt man Bruno wahr. Hier sieht man ihn quasi nicht.

 

Wie meinst Du das?
In Brasilien werde ich, wenn ich mit Bruno unterwegs bin, immer angesprochen. Ich werde gefragt, wie es uns gehe, ob wir eine Therapie machen, was er schon könne. Und die Leute zeigen mir Fotos, von anderen die sie kenne, die ebenfalls ein Kind mit einem Down-Syndrom haben. Man nimmt Bruno in Brasilien wahr. Alle sind offen und unglaublich lieb mit ihm. Hier sieht man ihn quasi nicht.

Macht Dich das traurig?
Bruno ist sehr kommunikativ und sucht den Kontakt. Er möchte mit allen sprechen. Von alleine kommt aber sehr wenig. Ich weiss aber, dass die Leute es nicht böse meinen. Sie wollen nichts Falsches tun oder sagen. Und manchmal mag ich das sogar. Denn ich schätze es, meine Privatsphäre zu haben, nicht alles erzählen zu müssen. Denn das ist mein Leben und meine Familie.

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Was beinhaltet denn Dein Leben neben Deinen Kindern?
Im Moment? Eigentlich hat neben meinem Selbstständigkeitsprojekt nichts anders Platz.Ich bin sehr gerne Mama. Und trotzdem habe ich noch Interessen, denen ich nachgehen wollte. So habe ich mir lange überlegt, wie ich diese mit meinem Mutterdasein verbinden könnte. Und weil ich immer wieder posivites Feedback bekam auf Dinge, die meine Kinder haben oder die ich anderen Kinder schenkte, dachte ich mir: Wieso eigentlich nicht einen Onlineshop mit eben diesen Dingen?

 

Nicht jeder Onlineshop ist für jede Mutter perfekt und bietet passende Dinge an, die ihr entsprechen.

 

Weil es schon so viele Onlineshops gibt?
Dafür gibt es immer Platz. Der Grund ist ganz logisch: Die Geschmäcker sind sehr unterschiedlich. Nicht jeder Onlineshop ist also für jede Mutter perfekt und bietet passende Dinge an, die ihr entsprechen. Die Leute identifizieren sich mit dem Geschmack des Shops, also mit dem Geschmack der Shopinhaberin. Der Person, die hinter diesem Shop steht.

Ist das genau Dein Ding? Also vorauszugehen und Produkte zu verkaufen?
Überhaupt nicht. Ich habe in Brasilien Kommunikationswissenschaften studiert und eine Post Graduation in Eventmanagement gemacht. Dann habe ich ein MBA in Marketing. Mein Wissen hilft mir, aber ich muss täglich Neues lernen und tauche dabei in eine völlig neue Welt ein. Ich habe zuvor in Agenturen gearbeitet. Da war ich hinter dem Kunden, ich musste das Produkt nicht aktiv verkaufen. Jetzt bin ich Kunde und gleichzeitig Agentur. Ich bin es, die dastehen und meine Produkte präsentieren muss. Ich dachte nicht, dass ich das gut kann. Aber es macht – erstaunlicherweise – unglaublich viel Spass. Ich hatte Angst davor, mich zu exponieren. Aber das ist unbedingt notwendig. Denn ich will ja auch, dass meine Kunden meine Sachen kaufen, weil sie mir vertrauen. Dafür muss ich mich öffnen, muss einen Einblick in mein Leben gewähren.

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Was ist dabei die grösste Herausforderung?
Das Zeitmanagement. Ich habe zwei Kinder, ich habe young and brave, dann bin ich noch Frau, habe einen Haushalt und ich bin verheiratet. Ich bin noch nicht sicher, wie ich das alles unter einen Hut bringen kann.

Das typische Mutter-Problem also.
Wahrscheinlich. Aber wir sind da manchmal auch ein wenig selber schuld. Denn: Frauen sollten Frauen helfen. Und Mamas sollten Mamas helfen. Das ist Teil meiner Idee, Teil von young and brave. Meine Produkte haben alle ein bestimmtes Plus. Sie sind handgemacht, sind nachhaltig, oder stammen aus einem kleinen Familienbetrieb oder eben von einer Mama, die sie selber in Heim- und Handarbeit herstellt.

 

Ihr habt eure Produkte, ich habe dieses Portal. Lass uns zusammenspannen.

 

Wie soll das funktionieren?
Ich möchte Kooperationen eingehen. Ich schaue mich also um nach kleinen Shops und sage ihnen: Ihr habt eure Produkte, ich habe dieses Portal. Lass uns zusammenspannen. Ich möchte diese Mamageschichte weiterbringen. Mit ihnen zusammenarbeiten.

Gibt's es da auch Schwierigkeiten?
Mütter haben alle nicht viel Zeit. Aber ehrlichgesagt ist das auch ein Vorteil. Denn sie verstehen dann auch, dass nicht alles super schnell läuft. Da ist es kein grosses Problem, wenn man Deadlines von einer Woche setzt und nicht von einigen Stunden.

Wo findest Du denn Deine Produkte?
Das ist schwierig und auch ein Problem. Denn ich versuche, andere Produkte zu verkaufen als alle anderen. Produkte, die es in der Schweiz so noch nicht gibt. Ich gehe aber prinzipiell von meinem Gefühl aus. Das gefällt mir, das ist etwas, was ich für meine eigenen Kinder benutzen würde oder aber verschenken würde. Diese Dinge kaufe ich ein.

 

Ich gehe auf viele Messen und gebe meinen Kunden so die Möglichkeit, meine Produkte anzufassen, sie zu spüren.

 

Und wie verkaufst Du Deine Produkte?
Eigentlich über meinen Onlineshop. Aber da ich noch neu auf dem Markt und deswegen noch nicht in den Köpfen der Leute bin, muss ich auch raus. Meine potenziellen Kunden wissen erstens noch nicht, dass es mich gibt und auch nicht, was sie bei mir erwarten können. Ich gehe also auf viele Märkte und gebe ihnen so die Möglichkeit, meine Produkte anzufassen, sie zu spüren.

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Macht es Angst, Geld auszugeben, ohne zu wissen, dass man es wieder einnimmt?
Ja. Ich bin immer so, dass ich nur die Minimalmenge bestellen möchte. Dann kommt mein Mann und sagt mir: «Nein, los! Das ist toll. Kauf das.» Er gibt mir den Push und ermutigt mich. Ich bin nicht so mutig – ganz entgegen dem Namen meines Shops.

Dein Shop heisst young and brave. Warum?
Die Namensfindung war nicht einfach. Ich habe dabei natürlich an meine Kinder gedacht. Ich wollte etwas, das mit ihnen im Zusammenhang steht. Denn ohne sie, hätte ich diesen Laden nicht. Ich habe also verschiedene Wörter im Kopf gedreht. Und ich sah immer die Namen der anderen Shops, die so cool klangen. Irgendwann habe ich alle Wörter aufgeschrieben und sie zusammengewürfelt. So ist young and brave entstanden. Und es passt perfekt. Denn meine Kinder sind jung und sie sind vor allem eines: mutig. Vor allem Bruno musste sehr früh, sehr mutig sein. Er war viel krank und musste viel kämpfen.

Wo willst Du hin?
Das grosse Ziel ist natürlich, dass young and brave in den Köpfen der Leute ist. Das heisst, dass wenn sie online nach einem Geschenk suchen, dass sie automatisch bei mir auf der Seite landen, weil ich bekannt dafür bin.

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Ist denn Eure Zukunft in der Schweiz?
Ich weiss es nicht. Wir nehmen es, wie es kommt. Wir hatten ja auch nicht geplant, überhaupt hier hin zu kommen. Aber wenn wir etwas gelernt haben mit Bruno, dann ist es keine Pläne zu haben. Wir lassen es leben und schauen wie es läuft.

Verändern sich Ansichten, wenn man ein behindertes Kind hat?
Man lernt, wie egoistisch man ist. Zu Beginn einer Schwangerschaft hat man eine Erwartung und dann wird diese plötzlich nicht erfüllt. Das Bild, welches du im Kopf hast, ist plötzlich zerstört. Da kommt ganz automatisch ein Trauergefühl auf. Das braucht Geduld.

 

Ich wollte bereit sein für etwas, für das man gar nicht bereit sein kann.

 

Wieso ist man denn egoistisch?
Ich habe bei Bruno keine Nackenfaltenmessung gemacht. Als mein Frauenarzt dann einen Verdacht äusserte, das etwas vielleicht nicht in Ordnung sein könnte, habe ich eingewilligt eine Fruchtwasserpunktion zu machen. Das war egoistisch. Denn auch wenn der Test sehr sicher ist, bleibt ein gewisses Restrisiko. Ein Risiko, das ich auf mich genommen habe, um zu erfahren, was er hat. Um etwas zu erfahren, worauf ich mich sowieso nicht habe vorbereiten können. Ich wollte bereit sein für etwas, für das man gar nicht bereit sein kann.

Hattest Du denn Angst bei Deiner zweiten Schwangerschaft, dass wieder etwas nicht in Ordnung sein könnte?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe keine Tests gemacht und mich einfach nur auf dieses zweite Kind gefreut. Nach der Schwangerschaft mit Lia war ich dann bereit für das dritte: Und habe dieses in Form von young and brave online gestellt.

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Und hier unsere Lieblingsprodukte von young and brave: