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Tadah

Wie ist der Alltag mit FSME, Angelika Wick?

Angelika Wick hatte Pech. Eine Zecke hat ihr - und das ist sehr selten - gleichzeitig FSME und Borreliose übertragen. Der Krankheitsverlauf sei nicht schwer, sagte man ihr. Aber die Gehirnentzündung - war sie auch nicht lebensgefährlich - hat trotzdem für fast ein Jahr vieles verändert. Von der Diagnose bis zur Heilung dauerte es lange. Sehr lange. Wir haben mit Angelika im grossen Tadah Interview über erzwungenes Entschleunigen, Ängste und Geduld gesprochen.

Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit unseren Partnern bei

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Angelika Wick lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern (10 und 12 Jahre) in der Nähe von Zürich.

 

 

Tadah: Mit Kindern kommt plötzlich auch das Thema «Zecken» aufs Tapet. Wir suchen die Kinder nach Ausflügen im Wald ab. Uns selbst widmen wir diese Aufmerksamkeit nicht im gleichen Masse. Oder war das bei Dir anders?
Die Kinder sind schon lange geimpft, sind sie doch immer im Unterholz unterwegs. Ich war da also viel sensibilisierter. Bei mir selbst war die Zeckenimpfung aber etwas, von dem ich dachte: «Das sollte ich mal machen». Gemacht habe ich es dann trotzdem nie.

Bis Du selbst gestochen wurdest.
Ich weiss bis heute nicht, woher mein Stich kam. Eventuell hat mich die Zecke in unserem Garten erwischt, im Garten von Freunden oder in den Bergen.

Entdeckt habe ich sie erst, als es zu schmerzen begann. Es fühlte sich an wie ein Sonnenbrand am rechten Schulterblatt. Meine Nachbarin hat sie entfernt.

Ich habe die Stelle danach natürlich beobachtet. Nach einer Woche bildete sich der viel zitierte rote Kreis, die Wanderröte. Ich rief also den Hausarzt an. Dieser diagnostizierte Borreliose und ich bekam für zwei Wochen ein starkes Antibiotikum verschrieben. «So weit, so gut», dachte ich. Weit gefehlt.

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Was für Symptome traten dann auf?
Zehn Tage nach dem Stich kamen die ersten grippeähnlichen und neurologischen Symptome. Ich hatte Gliederschmerzen und leichte Kopfschmerzen. Zum Teil waren Beine, Arme und Finger "eingeschlafen".
Ich hatte brennende Augen und Schwindel, konnte mich am Computer kaum konzentrieren. Zudem habe ich sehr schlecht geschlafen.

Hast Du diese Symptome denn nicht dem Zeckenstich zugeordnet?
Nicht wirklich. Denn ich dachte, wenn man Borreliose hat, kann man nicht gleichzeitig FSME haben. Zudem hatte ich nie Fieber, was bei FSME oftmals der Fall ist. Falsch gedacht – wie sich im Nachhinein herausstellte. Ich dachte, meine Symptome könnten eventuell vom Antibiotikum herrühren. Oder von etwas ganz anderem.

Nach ungefähr zehn Tagen fühlte ich mich jedoch wieder gut. Doch dann erwachte ich mit einem sehr schweren Kopf. Ich hatte Nackenschmerzen und konnte den Kopf kaum halten. Es war kein normales Kopfweh. Als sich die Konzentrationsstörungen verstärkten, ich lichtempfindlich wurde und Mühe hatte, scharf zu sehen, wurde mir schon etwas bang.

All diese Symptome waren sehr diffus, nicht zuordnungsbar – auch vom Arzt nicht?
Die Beschwerden waren so auf den Kopf konzentriert, das hat mich stutzig gemacht. Ich dachte zuerst, dass die Borreliose eventuell trotz Antibiotikum noch da ist – obschon ich eigentlich wusste, dass das nicht sein kann. Also musste ich genauer hinschauen.

Eine Ärzte-Odyssee?
Weder der Hausarzt noch ein weiterer Arzt haben die Diagnose FSME gestellt. Ich habe dann auf eigene Faust einen Zeckenspezialisten aufgesucht und erhielt aufgrund meiner Schilderungen sehr rasch einen Termin.

 

Wenn ich den FSME-Virus im Körper habe, kann ich zwar Symptome bekämpfen, aber sonst kann ich schlicht und ergreifend nichts machen.

 

Also gibt es doch Zecken, die beides übertragen?
Ja, der Zeckenspezialist klärte mich auf: Es gibt durchaus Zecken, die beides übertragen können, FSME und Borreliose. Das war dann auch der Moment, in dem ich Angst bekam. Denn als ausgebildete Pflegefachfrau weiss ich, dass dies ein gefährlicher Virus ist, der auch schwere Verläufe verursachen kann. Wenn er einmal im Körper ist, kann man zwar Symptome bekämpfen, aber sonst schlicht und ergreifend nichts machen. In der Zeit, als ich auf die Diagnose wartete, war ich sehr nervös. Was ist, wenn ich positiv bin?

Was sagte der Arzt konkret?
Dass ich FSME habe. Und dass meine Symptome einen sehr klassischen Verlauf darstellten.

FSME kann eine erste Phase haben – viele Menschen haben sogar nur die eine. Es kann aber auch eine zweite geben: Wenn die Viren «ins Hirn wandern», hast Du für kurze Zeit gute Tage. Wenn sie dann im Hirn angekommen sind respektive das zentrale Nervensystem angreifen, dann geht die schlimmere zweite Phase los.

Ich bekam richtig Angst. Was passiert nun mit mir? Was kommt alles auf mich zu? Ich hatte ja bereits heftige Konzentrationsstörungen, konstante schlimme Kopfschmerzen – wie eine Lähmung im Kopf.

Aber der Arzt sagte auch, dass ich bereits sehr viele Antikörper und damit die akute Phase offenbar schon durchgemacht habe.

Was positiv ist.
Genau. Das Schlimmste ist vorbei, dachte ich und hatte keine Angst mehr. Wir fuhren mit der Familie in die Ferien – das war fünf Wochen nach dem Zeckenstich. Wir alle waren guter Dinge.

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Sogar das Rauschen der Maggia störte mich.

 

Du konntest Dich erholen?
Ich habe viel geschlafen. Aktiv sein, das ging irgendwie nicht. Zudem waren die Kopfschmerzen noch immer da. In der zweiten Woche gingen wir campen. Es war zu heiss, hatte zu viele Leute, es war mir viel zu unruhig. Sogar das Rauschen der Maggia störte mich. Ich hatte diesen müden, schweren Kopf, schlimme Kopfschmerzen und habe regelmässig Schmerzmedikamente genommen.

Es war also doch nicht vorbei?
Ich brach die Ferien ab und fuhr nach Hause. Mein Mann und die Kinder blieben. Zuhause hatte ich meine Ruhe, das war eigentlich das einzig Richtige. Ich merkte: Ich habe das Ganze total unterschätzt. Fakt war: Ich hatte eine Gehirnentzündung. Das ist nicht einfach so schnell vorbei. Ich blieb eine zusätzliche Woche daheim. Dann ging ich wieder zur Arbeit.

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Du gingst mit diesen Symptomen wieder arbeiten?
Der Arzt meinte, ich solle weiter ausruhen. Mit den Kindern daheim zu sein, das reiche eigentlich schon an Belastung.

 

Es geht schon, dachte ich. Und es ging ja auch. Irgendwie.

 

Aber ich ging arbeiten. So bin ich halt. Es braucht viel, bis ich daheim bleibe. Ich hatte wohl zu wenig Leidensdruck. Es geht schon, dachte ich. Und es ging ja auch. Irgendwie.

Bis es dann nicht mehr ging?
Nach mehreren Monaten, an denen ich immer wieder an meine Grenzen kam und nie wirklich fit war, merkte ich, ich muss etwas ändern. Als dann noch eine Corona-Erkrankung dazukam, musste ich handeln.

Also machte ich, was mir der Arzt schon am Anfang empfahl: einen Schritt zurück. Dies aber erst sechs Monate nach dem Zeckenstich.

Wie hat sich das alles auf Deinen Familienalltag ausgewirkt?
Ich habe schulpflichtige Kinder, die unter der Woche nicht mehr so viel daheim sind. Ich schlief viel, vor allem, wenn sie in der Schule waren.

 

Wir haben als Familie sehr vieles runtergefahren.

 

Die Kinder haben natürlich gemerkt, dass ich nicht so viel Kraft habe. Wir haben als Familie sehr vieles runtergefahren.

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Hast Du mal die Geduld verloren?
Ja, klar. Aber ich wusste ja auch, dass es nichts bringt. Der Zeckenspezialist hat mich auch in Sachen Geduld gut unterstützt und begleitet.

Bei einer Gehirnentzündung muss man warten, bis sich das Hirn erholt hat – ein Zustand, den man aushalten muss. Das kennt man heutzutage ja nicht. Man ist es gewohnt, dass man zu Ärzt*innen geht und alles ist gut. Mit FSME ist das nicht möglich.

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Eine Gehirnentzündung braucht
viel Zeit zur Heilung. 


 

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Hat sich Deine Partnerschaft verändert?
Mein Mann hat voll angepackt – überall. Und auch er hat mir immer wieder gesagt, ich müsse Geduld haben.

Ach, Geduld.
Ich wurde in dieser Zeit tatsächlich etwas entspannter. Eigentlich bin ich eine Perfektionistin. Ich habe klare Vorstellungen, wie ich etwas haben will. Doch für diesen Perfektionismus hat schlicht die Kraft gefehlt. Ich habe gewisse Dinge einfach laufen lassen, weil ich sie auch laufen lassen musste.

Jetzt, wo ich langsam wieder "zwäg" bin, kommt dieser Perfektionismus wieder. Eigentlich würde ich diese Coolness noch etwas beibehalten wollen.

Was hat rückblickend am meisten geholfen?
Aus medizinischer Sicht ganz klar die Betreuung des Arztes, die Schmerzmedikamente und eine ebenfalls betroffene Frau, mit der ich mich austauschen konnte.

Ansonsten die geduldige Familie. Ich hatte nie das Gefühl, es stresse jemanden – ausser mich selbst. Auch meine Freunde haben mich gut aufgefangen.

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Wann und wie ging es aufwärts?
FSME und Corona zusammen –  da hatte ich wirklich grosse Mühe, wieder auf Touren zu kommen. Bis ich sagen konnte «Jetzt hab ich wieder Energie wie früher», ging ein Jahr vorbei.

Ein Jahr nach dem Zeckenstich, wie geht es Dir jetzt?
Die Kopfschmerzen bleiben wohl meine Schwachstelle. Aber sie sind nicht mehr so schlimm, als dass sie mich gross beeinträchtigen würden.

 

Ich muss nicht mehr auf allen Hochzeiten tanzen, das habe ich vollkommen abgelegt.

 

Ich habe jetzt weniger los als früher. Das habe ich mir ein bisschen beibehalten, es fühlt sich gut an. Ich muss nicht mehr auf allen Hochzeiten tanzen, das habe ich vollkommen abgelegt. Und das finde ich auch gut so.

Wenn ich etwas aus dieser Krankheit mitnehme, dann das: mehr Familienzeit, nur die Leute treffen, die mir guttun und meine Energie gezielt einsetzen.

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Angelikas wichtigste FSME-Tipps für Tadah Leser*innen:

1. Wissen, dass die Zecken auch im eigenen Garten sitzen.
2. Sich schützen durch Impfung, Kleidung und Zeckenschutzmittel.
2. Die Krankheit nicht bagatellisieren, auch wenn der Verlauf mild ist.
3. Eine Spezialistin oder einen Spezialisten aufsuchen, wenn man sich nicht gut fühlt nach einem Zeckenstich.
4. Einen Gang runterschalten. 


 

Betreuungssituation: Angelika arbeitet 50% als Lehrperson in der Pflege, ihr Mann arbeitet 80%. Einen Tag in der Woche betreut die Schwiegermutter die Kinder über Mittag und am Nachmittag.

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Bilder von Vanessa Bachmann