Verena coacht so, dass danach alles so einfach, so klar, so freudvoll erscheint. Und genau so hat sie auch auf all unsere Fragen geantwortet, wie man das denn am besten anstellt. Sie verfolgt ihre Ziele mit einer Geradlinigkeit, auf die man neidisch werden kann. Aber nicht muss, weil sie auch ganz viele Tipps gibt, wie man alles etwas weniger streng sehen könnte. Wir hoffen, das Lesen macht Euch ebenso Freude wie uns.

Verena Tschudi lebt gemeinsam mit ihrem Mann Joe und ihren Jungs Yannick (10) und Nils (7) in Winterthur.
verenatschudi.com
Tadah: Liebe Verena. Du und Dein Mann, Ihr seid beide selbständig. Eine Challenge? Ein Glück?
Mein Mann hat ebenso wie ich sein eigenes Unternehmen. Er arbeitet – genau wie ich – 80%. Allerdings arbeitet er diese Zeit meistens im Ausland, was mich ungefähr 50% des Jahres unter der Woche zu einer alleinerziehenden Mutter macht. Wo viele Leute sagen «Oh Gott, das muss hart sein, das kann ich mir gar nicht vorstellen», haben wir eine sehr erfrischende Erfahrung gemacht: Für mich ist Zeit alleine mit den Kids super entspannend. Weil dann kann ich mich ganz auf sie einlassen und muss mich nicht gleichzeitig auf meinen Partner konzentrieren.
Man sagt, von der Distanz lebt die Beziehung. Bestätigst Du das?
Unbedingt. Wir führen tiefere Gespräche über das Telefon als so manches Paar, das Abend für Abend nebeneinander auf dem Sofa sitzt. Es ist auch nie selbstverständlich, wenn wir zusammen sind. Das fördert den gegenseitigen Respekt und hält uns füreinander attraktiv. Und das seit 20 Jahren.
Und wenn er hier ist, übernimmt er die Kids? Ist es leicht, dann wieder alles abzugeben?
Es fällt mir leicht, sämtliche Bälle fallen zu lassen, sobald mein Mann übernimmt. Ich lasse ihn den Haushalt und die Kinder genau so machen, wie er das möchte. Ich erinnere ihn nicht an Termine, Znüni, Tests, Fussballturniere oder erkläre ihm, wie er den Geschirrspüler einzuräumen hat. Er hat mein vollstes Vertrauen, dass er das alles super hinbekommt. Ehrlicherweise bekommt er es meistens sogar besser hin als ich.
Jedenfalls gibt mir das die Freiheit, Tanzen zu gehen oder mich mit Freundinnen zu treffen oder zu arbeiten, wenn ich das möchte. Und dann hat er die Jungs für sich, die diese Zeit genauso geniessen wie er.
Nicht nur mit Kindern, sondern auch sonst haben wir Frauen ein paar Hindernisse mehr zu bewältigen, die Männern einfach gar nicht bewusst sind.
Apropos Arbeiten: Du bist Karriere Coach für Frauen. Wie kams?
Mir selber war es immer sehr wichtig, mich beruflich zu verwirklichen. Ich arbeite gerne und gehe dabei völlig auf. Ich war auch immer sehr erfolgreich und bin sehr jung in Führungs- respektive in Managementfunktionen gekommen.
Und als die Kinder kamen?
Das war für mich kein Hindernis. Ich habe aber bei Mitarbeiterinnen, Freundinnen und Bekannten immer wieder gesehen, dass Kinder einen Karriereknick verursachen können; mit schlimmen Nachwehen. Nicht nur finanziell, sondern vor allem auch seelisch. Viele Frauen sind nach einer Babypause stark verunsichert, was sie noch können und was sie fordern dürfen.
Das war für mich die Motivation, Frauen karrieretechnisch zu unterstützen. Nicht nur mit Kindern, sondern auch sonst haben wir Frauen ein paar Hindernisse mehr zu bewältigen, die Männern einfach gar nicht bewusst sind.
Haben es Frauen deshalb nötiger, gecoacht zu werden?
Frauen werden anders sozialisiert als Männer. Wir sind viel selbstkritischer, wollen, dass uns alle mögen und versuchen, es allen recht zu machen. Und dabei bleiben viele Frauen dann oft selber auf der Strecke. Das gilt natürlich nicht für alle Frauen, aber zumindest für meine Zielgruppe.
Dies führt mittel- und langfristig zu einer lose-lose-Situation. Deshalb helfe ich Frauen, dass es gar nicht so weit kommt. Wenn sie beruflich erfüllt sind, haben sie so viel mehr Energie für Partner*innen, Kinder, Sport und Hobbys. Ausserdem sind sie für ihre Arbeitgebenden und Kund*innen viel wertvoller. Eine beruflich erfüllte Frau ist eine strahlende Frau. Und das in allen Lebensbereichen.





Wie müssen wir uns so ein Coaching Programm à la Verena vorstellen?
Ich habe verschiedene Angebote. Aber grundsätzlich ist alles online, mit Video-Lektionen und Worksheets zum Downloaden sowie Live Coaching Calls, bei denen wir die konkreten Situationen und Herausforderungen der Teilnehmer*innen besprechen.
Was war Dein schönstes Coaching Erlebnis?
Ein schönes Erlebnis, das sich Gott sei Dank oft wiederholt: Wenn Kund*innen sagen, dass das Coaching ihr Leben um 180 Grad verändert hat.
Es ist eben ein Prozess, und schneller ist nicht immer besser.
Welches war unbefriedigend?
Da muss ich jetzt stark überlegen, das kommt ehrlich gesagt selten vor. Ich habe aber auch wirklich viel Geduld. Wenn jemand noch nicht den Wald vor lauter Bäumen sieht, bleibe ich ganz gelassen. Es ist eben ein Prozess, und schneller ist nicht immer besser.
Was machst Du denn anders als andere Coaches?
Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Ich habe gar keine Zeit, nach links und rechts zu schauen. Eine Sache, die ich mir aber persönlich zum Ziel gesetzt habe, ist, wirklich zum Kern der Sache vorzudringen. Damit meine Kund*innen mit möglichst wenig Aufwand ein maximales Ergebnis erzielen. Weil, schöne Worte und leeres Bla-bla gibt es schon genug. Was die Leute bei mir bekommen ist lebensverändernd. Das ist die Herausforderung, der ich mich täglich stelle.
Frauen, die sich zusammenschliessen, um etwas zu bewegen – das ist gerade ein Trend. Momentan schiesst ja ein Frauennetzwerk nach dem anderen aus dem Boden. Weshalb denkst Du, ist das so?
Ich bin da skeptisch. Zwar bin ich auch bei ein paar Netzwerken dabei, aber mir kommt es oft wie eine Krücke vor. Nach dem Motto: Ich hasse Networken, also kauf ich mich einfach in ein bestehendes Netzwerk ein. Oder ich gründe mein eigenes. Sorry, dass ich da so ehrlich bin. Ich finde es besser, Networking als persönliche Fähigkeit aufzubauen. Deshalb ist dieses Thema übrigens auch Teil meines Coaching Programms «Be a Leader!». Denn ohne diese Fähigkeit werde ich auch als Mitglied eines Frauennetzwerks keine tragfähigen Beziehungen aufbauen.
Ich glaube, mit ihrem Perfektionsanspruch produzieren Frauen sich so viel mehr Leid als nötig.
Worin verstricken sich Frauen am ehesten?
In Perfektionismus und den damit einhergehenden Selbstzweifeln. Das äussert sich darin, dass sie denken, sie müssten «alles» machen, was auch immer damit gemeint ist. Und sie sollten dabei gefälligst glücklich sein. Ich glaube, mit diesem Anspruch produzieren Frauen sich so viel mehr Leid als nötig.







Ist der Tenor Deiner Kund*innen so, dass die Balance zwischen Familie und Job momentan noch immer eher ein Frauenthema ist?
Meiner Meinung nach ist nichts ein reines Frauenthema. Alles, was mich betrifft, betrifft automatisch auch meinen Partner. Wenn es ihm nicht gut geht, geht es mir auch nicht gut und umgekehrt.
Kinder bekommen wir zusammen. Wenn beide es zulassen, dass sich in der Familie ein Ungleichgewicht einstellt was Aufgaben, Finanzen, Freiheiten betrifft, dann werden beide auch über kurz oder lang die Früchte davon ernten müssen. Und die können sehr bitter sein.
Leute, die zu viel «opfern», werden es später bereuen. Und wenn sie es bereuen, werden sie es irgendwann ihrem Partner vorwerfen. Sie werden Gefühle entwickeln wie Neid, Ablehnung, Vorwurf, Missgunst, Verachtung etc. Das ist nicht sehr förderlich für die Beziehung. Und damit auch nicht gut für die Kinder.
Was wäre somit besser?
Besser ist es, man achtet von Anfang an auf ein Gleichgewicht in Rechten und Pflichten. Gemeinsam können wir die Freuden des Familienlebens, aber auch die Lasten teilen. Das schweisst uns zusammen, fördert den gegenseitigen Respekt und schafft gleichzeitig Freiräume, sodass beide ihr eigenes Leben weiterführen können.
Neben der Arbeit und dem effektiven Schlafmangel ist es meines Erachtens dieses Gefühl des ständigen Teilversagens, das zur Belastung wird.
Bleibt hier die Gesundheit vieler Frauen oft auf der Strecke?
Viele Frauen nehmen selber eine viel zu grosse Last auf sich. Sie sind auch viel perfektionistischer veranlagt und wollen immer alles bestens machen: Eine tolle Mutter sein, ihre Kinder bestmöglich fördern, in der Arbeit immer alles perfekt abliefern und gleichzeitig noch top aussehen. Alles, was nicht diesem Anspruch genügt, führt zu Schuldgefühlen und dem Gedanken, allem nicht gerecht zu werden.
Neben der Arbeit und dem effektiven Schlafmangel ist es meines Erachtens dieses Gefühl des ständigen Teilversagens, das zur Belastung wird.
Da kann man sich also noch so gesund ernähren, wenn wir emotional unter Stress stehen, macht uns das krank.
Diese Nicht-Work-Life-Balance schlägt dann auch auf die Gesundheit.
Genau. Viele Frauen kommen zu mir ins Coaching, weil sie genau das nicht mehr wollen: Ein ständiger Wettlauf gegen ihre To-do-Liste. Und dabei das Gefühl, selber ständig zu kurz zu kommen. Man muss sich mal bewusst machen, was da ständig im Körper passiert: Wir haben ständig einen Cocktail an Stresshormonen im Blut, die uns in Flucht- oder Angriffmodus versetzen. In diesem Zustand ist strategisches Denken nicht möglich, nur Feuerlöschen. Was noch leidet: Verdauung, Entgiftung und Zellregeneration und einiges mehr. Da kann man sich also noch so gesund ernähren, wenn wir emotional unter Stress stehen, macht uns das krank. Viele chronische Erkrankungen werden mit Stress in Verbindung gebracht. Deshalb ist mentale und emotionale Gesundheit so wichtig. Es ist kein «nice to have», sondern zeigt sich auch 1:1 in unserem Körper.
Dieses «Alles unter einen Hut bringen wollen» überfordert tatsächlich. Du scheinst hier jedoch ziemlich tiefenentspannt. Was machst du anders? Oder besser: Was können wir anders machen?
Ich habe mir angewöhnt, lieb zu mir selber zu sein. Ich versuche, meine eigene beste Freundin zu sein. Anstatt negative Selbstgespräche zu führen und mir Selbstvorwürfe zu machen, mich ständig zu kritisieren für das, was ich alles nicht schaffe, gehe ich liebevoll mit mir um. Ich höre mir selber zu, ohne Ratschläge zu geben und nehme mich selber in den Arm, wenn es mir nicht so gut geht. Das hat für mich eine 180 Grad Wende gebracht.
Wir sollten aufhören, die Symptome zu bekämpfen und stattdessen das Übel an der Wurzel packen. Wenn wir nicht aufhören, immer alles machen zu wollen und auch noch perfekt, dann wird uns keine Pille und auch keine Meditation der Welt helfen. Wir brauchen einen Filter. Für mich ist dieser Filter meine Lebensvision. Wenn ich ein klares Ziel habe, dann kann ich auch vieles andere getrost beiseite lassen. Wirklich loslassen und damit mein Leben verschlanken, das ist die einzige wahre Massnahme.










Als Karrierecoach beleuchtest Du auch das Thema Zeitmanagement sehr genau. Was sind Deine 5 wichtigsten Zeitmanagement-Tipps?
- Sag "Nein" zu allem, was du nicht wirklich tun willst.
- Erstelle ein Wochen-Raster, das immer gleich bleibt. Je weniger jede Woche neu ausgehandelt und entschieden werden muss, desto einfacher wird dein Leben.
- Erstelle Routinen: Alles, was wie das Zähneputzen automatisch und ohne Nachdenken passiert, entlastet unser System.
- Hol dir eine Putzhilfe!
- Plant fixe Dates als Paar ein, am besten jede Woche.
Hier liest Du mehr zu Verena Tschudis Zeitmanagement-Tipps.
Kannst Du denn alles unterbringen in Deinen Tag, was Du gerne tun möchtest?
Ja, praktisch alles.
Wie? Wie teilst Du Deine Zeit ein?
Ich habe ein ganz simples System, das ich selber anwende und auch an meine Kundinnen weitergebe.
Das da wäre?
Es werden Zeitinseln für bestimmte Tätigkeiten geschaffen, sodass Fokus möglich wird ohne Ablenkung. So wird das Stressniveau reduziert und wir können resultatorientiert arbeiten, nicht einfach rennen so schnell wir können, ohne jemals das Ende der To-do-Liste zu erreichen.
Das klingt zielführend.
Auf diese Weise stellt sich ein sehr befriedigendes Gefühl ein, schon am Montagmorgen sind wir stolz darauf, was wir Ende der Woche alles erledigt haben werden. Und wir können so auch in den Zeiten mit der Familie präsent sein, ohne ständig an tausend andere Sachen zu denken.
Unvorhergesehenes passiert immer wieder, es ist also gar nicht so unvorhergesehen.
Und was machst Du mit Unvorhergesehenem?
Unvorhergesehenes passiert immer wieder, es ist also gar nicht so unvorhergesehen. Ich weiss ja schon, dass etwas kommen wird. Das einzige, was ich nicht weiss, ist, was genau es sein wird. Ich plane deshalb Puffer ein. Und wenn es dann kommt, begrüsse ich es freudig als Überraschung, anstatt mich darüber zu ärgern.
Seit ich Mutter bin, hat sich alles und nichts verändert.
Als Verena noch keine Mutter war, wo war sie da?
Ich bin eigentlich ein Grossstadtmensch und habe, nachdem ich mit 20 meine Heimat in Österreich verlassen habe, einige Jahre in Paris und Barcelona gelebt. Aktuell vermisse ich es wieder mehr, darum mache ich regelmässig Wochenend-Trips mit Freundinnen in Städte, wo der Bär steppt.
Was hat sich verändert, seitdem Du Mutter bist?
Alles und nichts. Mein Leben ist um zwei wunderbare Menschen reicher geworden, ich mache jede Menge Erfahrungen, die ich sonst nicht machen würde. Aber ich selber bin noch immer dieselbe. Mit denselben Interessen, Ideen, Vorlieben, Ambitionen und Aversionen.
