Regina hat vier Kinder. Sie weiss also, wie der Hase läuft, bzw. dass es die perfekten Familientage nicht gibt, dafür aber ganz viele tolle Tage, die irgendwo zwischen Schwarz und Weiss in all ihrer Farbigkeit sind. Sie arbeitet als Ärztin an einem Uni-Spital und schaukelt Beruf und Familie mal besser, mal schlechter, aber immer mit Humor.
Tadah: Wie hat sich dein Leben verändert, als Du Mutter wurdest?
Mein Leben hat sich grundlegend verändert. Die Familie ist ins Zentrum gerückt und die Freizeit, individuelle Bedürfnisse und unsere Paarbeziehung haben wir darum herum eingerichtet. Laut und leise, Glück empfinden und lieben – alles hat eine völlig neue Dimension angenommen – übrigens auch unser Auto und (in umgekehrter Richtung) der Schlaf. Und fragt mich bitte nicht, was gerade im Kino läuft (ich habe keine Ahnung), oder wann ich zum letzten Mal mehr als 30 cm Platz in meinem Bett hatte. Wir sind nicht mehr einfach nur draussen, sondern schauen zu, wie Blätter von den Bäumen fallen und wie die Schnecke frisst. Wir gehen nicht mehr einfach spazieren, sondern springen von Pfütze zu Pfütze oder von Stein zu Stein. Das Leben ist intensiver geworden. Und anstrengender. Unter dem Strich durchaus positiv.
Steckbrief
NAME
Regina Grossmann
KIDS
Lena (9), Nando (7), Simon (3.5) und Mila (1)
WORK-LIFE-BALANCE
Regina arbeitet 100% als Ärztin in einem universitären Spital /Leitung des Zentrums für klinische Forschung. Zwei Tage im Home Office – während der Schulferien so oft wie möglich.
Findest Du Elternratgeber wertvoll? Und wenn ja, welche? (Hat ein Buch Deinen Erziehungsstil beeinflusst?)
Während des Medizinstudiums hatte ich Vorlesungen bei Largo – im Nachhinein betrachtet der wohl beste und wertvollste Elternratgeber. Abgesehen davon habe ich einige Erziehungsbücher passagenweise gelesen. Allerdings drängte sich jeweils nach wenigen Zeilen die Frage auf, ob der Autor selbst wohl mehr als ein Kind hat (wenn überhaupt)? Es waren teilweise durchaus interessante Ansätze beschrieben, welche mir aber allesamt im Alltag nicht praktikabel erschienen.
Welchen Ratschlag würdest Du einer Mutter geben, die ihr erstes Kind erwartet?
Geniesse die Unabhängigkeit, dein schnittiges Auto, deine letzten erholsamen Ferien und bleib jeden Sonntag gemütlich im Bett so lange Du nur kannst.
Wann und warum wusstest Du, dass der Vater Deiner Kinder der Vater Deiner Kinder werden wird?
Wir haben uns als junge Studenten kennen gelernt. Zu dieser Zeit hatte ich andere Dinge im Kopf als eine Familie zu gründen. Aber wir waren von Beginn an ein gutes Team und haben zusammen die verrücktesten Reisen unternommen. Dass mein Mann auch ein guter und liebevoller Vater sein würde, habe ich erst während der ersten Schwangerschaft realisiert. Ein unschätzbares Glück!
Hast Du je gedacht: Das schaff ich nicht? Und wenn ja, in welcher Situation? Und wie hast Du sie gemeistert?
Ja, solche Situationen gab es vor allem nach der Geburt des ersten Kindes immer wieder. Ich war völlig übermüdet und das Baby wollte permanent getragen werden. Mir ist die Decke auf den Kopf gefallen. Lange Wald-Spaziergänge haben mich wieder geerdet und die Kleine beruhigt. Ausserdem weiss ich heute, dass dieser Zustand der Erschöpfung nur vorübergehend ist.
Hast Du manchmal ein schlechtes Gewissen Deinen Kindern gegenüber?
Immer, wenn ich zu viel Kaffee und Wein trinke oder blähende Lebensmittel esse. Nein, im Ernst: klar habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen. Zum Beispiel, wenn ich die Kinder garstig zurechtweise anstatt so gelassen zu reagieren, wie ich es mir vorgenommen hatte.
Darf man als Mutter lügen? Und wenn ja, wann und wieso?
Es kommt drauf an, was eine Lüge ist! «Ja, der Samichlaus wohnt in der kleinen Hütte in unserem Wald» oder «Vermutlich hockt der Drache da oben auf dem Berg». Wenn diese kleinen Unwahrheiten Lügen sind, dann lüge ich andauernd. Ich bin allerdings der Meinung, dass das in Ordnung ist – solange die Lüge einen Zweck hat wie zum Beispiel das Kind zu ermutigen oder eine fantastische Geschichte zu spinnen. Und ich gebe zu: Manchmal drohe ich den Kindern auch mit einer klitzekleinen Lüge, wie zum Beispiel «Der Samichlaus aus unserem Wald schleicht schon umher und schreibt alles Unrechte auf!». Aber auch das finde ich irgendwie okay
Kein Spielzeug aus Plastik – diesen Vorsatz konnten wir genau drei Monate aufrecht erhalten.
Was landet auf keinen Fall in Eurem Kinderzimmer?
Kein Spielzeug aus Plastik – diesen Vorsatz konnten wir genau drei Monate aufrecht erhalten. Dann mussten wir uns eingestehen, dass sich unser Baby wesentlich mehr für blinkende, Musik-machende Plastik-Teile interessiert als für Bio-Holzspielzeug. Aber elektronische Devices kommen WIRKLICH AUF GAR KEINEN FALL ins Kinderzimmer.
Euer Lieblingskinderbuch?
Ganz klar: Pippi Langstrumpf! Sie ist so unendlich stark und mutig und wild und glücklich.
Wie sieht ein idealer Tag mit Deinen Kindern aus?
An einem idealen Tag schlafen wir alle lange aus und sind den ganzen Tag nett miteinander und freundlich und anständig. So einen Tag hat es aber bis jetzt noch nie gegeben.
Zum Glück sind die allermeisten Tage irgendwo dazwischen.
Und wie einer «dieser» Tage?
An eben «diesen» Tagen trifft nichts von alldem zu. Zum Glück sind die allermeisten Tage irgendwo dazwischen.
Welche Charaktereigenschaften soll Dein Kind von Dir haben?
Ich wünsche meinen Kindern, dass sie möglichst viel von meiner Kreativität und Spontanität mitnehmen.
Was wirst du Deinem Kind nie erzählen? Und warum nicht?
Vielleicht, dass ich dauernd «gelogen» habe, als sie klein waren? Die Kinder werden noch früh genug mit der Realität konfrontiert und kommen mir früher oder später ohnehin auf die Schliche.
Was ist Eure nächste Feriendestination, wenn die Grenzen wieder offen sind?
Sardinien.
Wofür gibst Du am meisten Geld aus?
Ich habe unvernünftig viele Schuhe und Handtaschen. Dafür geht ein wesentlicher Anteil von meinem persönlichen Budget drauf. Und die Krankenkassenprämein fressen regelmässig Löcher in die Haushaltskasse.
Wie ähnlich bist Du Deiner eigenen Mutter?
Vermutlich bin ich ihr ähnlicher, als mir bewusst ist.
Was inspiriert dich?
Die Natur. Wenn ich draussen bin, habe ich immer die besten und kreativsten Ideen und Einfälle.
Was macht Dich nervös?
Harmonische Scheinwelten.
Wie und wo tankst Du für den nächsten Tag Energie?
Bei einem Spaziergang im Wald oder einer Jogging-Runde dem See entlang.
Hat sich Deine Einstellung zu Deiner Karriere geändert, seit Du Mutter bist?
Meine Karriere habe ich nie gross geplant, vieles hat sich durch Zufall ergeben. Aber ich habe durch meine Kinder Dinge gelernt, welche für meine Karriere förderlich waren: Zum Beispiel Prioritäten zu setzen und voraus zu schauen. Und ich habe gelernt, dass es in der Wissenschaft eine kindliche Neugier braucht und sehr oft einfache Denkansätze durchaus die besten sind.
Welcher Mutter möchtest Du das Wort übergeben und wieso?
Tanja Strässle. Sie ist eine Powerfrau und ich bewundere sie, mit welcher Gelassenheit und Ruhe sie ihre vier temperamentvollen Mädels, Ehemann und Hund managt. Nun haben sie sich entschieden, mit der Familie den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.